Kultur: Kontrastreiches Notenvergnügen
„Vocalise“-Sinfoniekonzert in der Erlöserkirche mit Haydn & Co
Stand:
Warum nicht auch ein Sinfoniekonzert in das Potsdamer „Vocalise“-Fest aufnehmen, das in diesem Jahr unter dem Motto „Psalmen & geistliche Poesie“ steht?! Damit Werke von Joseph Haydn und Sergej Prokofjew programmpassend eingefügt werden konnten, erhielt das als „HAYklassik“ annoncierte 2. Sinfoniekonzert des Neuen Kammerorchesters Potsdam unter der Leitung von Ud Joffe, am Donnerstag in der Erlöserkirche veranstaltet, das Signum „Soli Deo Gratias“. Was unwillkürlich auf die Religiosität eines Johann Sebastian Bachs verweist, der seine Werke mit ähnlich gottvertrauenden Worten abzuschließen beliebte. Gleiches, so mutmaßt das „Vocalise“-Programmbuch, habe auch Haydn bei seiner Sinfonie Nr. 103 und dem Trompetenkonzert – beide im majestätischen Es-Dur stehend – getan. Die Begründungen dafür scheinen reichlich an den Haaren herbeigezogen.
Spekuliert wird zudem über des Komponisten kroatische Herkunft, weil er das Hauptthema des im 6/8-Takt dahineilenden Allegro-Satzes der 103. Sinfonie „Mit dem Paukenschlag“ einer kroatischen Tanzweise entlehnt hat. Was, wenn er eine walisische benutzt hätte?!
Beinamengerecht eröffnet sich die Sinfonie mit einem an- und abschwellenden Paukensolo als Überraschungsgag. Joffe dagegen lässt es gleichsam als Tusch kanonengleich donnern, dann beginnt die Adagio-Intrada: geheimnisvoll, schleichend, dunkel und drängend. Nach einer imaginären Wegwischgeste springt das Geschehen ins Heitere, dem tänzerisch Beschwingtes folgt.
Joffes Sichtweise setzt auf kraftvoll musizierte, differenzierte dynamische Kontraste, mit denen er verblüffende Wirkungen erzielt. Es scheint, als durchforsche Joffe das Werk ganz bewusst auf dessen Wegweisungen hin zu Beethoven. Also erschrecken immer wieder martialische Paukenschläge das Publikum. Im Andante ist zügiges Wandern angesagt. Die Solovioline (Wolfgang Hasleder) offeriert dabei verspielte Idylle. Im Menuett und seinem Trio geht es recht energisch, geradezu bodenständig zu. Haydns harmonische Schärfen kommen nicht nur hier durch den hellgetönten Orchesterklang vorzüglich zur Geltung.
Auch dem Trompetenkonzert haftet, zumindest in seiner Einleitung, durch signalhafte Motive und einer gewissen Paukenlastigkeit etwas Martialisches an. Nicht davon betroffen ist der virtuose Gedankenaustausch mit dem Orchester, dem sich das junge Blastalent Stephan Stadtfeld ungehemmt hingibt. Was so dankbar wie technisch überaus anspruchsvoll ist, löst der Solist mit kraftvollem, jedoch nicht immer ganz sauberem Ansatz ein. Sichere Intervallsprünge, gestochene Staccati, flinke Triller und spielfreudige Passagen verbindet er zu brillanter Virtuosität. Er sieht sich gefeiert, mag aber keine Zugabe geben.
Da sich Prokofjew mit seiner 1. Sinfonie „Classique“ als Haydn-Fan outet, schafft er mit ihr den eröffnenden Sprung in die „Vocalise“-Programmfolge. Heiter und unbeschwert solle der das Werk durchwehende Geist sein, graziös bis grotesk kichernd. Doch Ud Joffe treibt ihm solche Ambitionen weitgehend aus. Vordergründige Fröhlichkeit statt federnde Draufgängerei, derber Klangwitz statt feinsinniger Leichtigkeit herrschen vor, faszinierende, elegant musizierte Klangfarbenspiele dagegen weit weniger. Viel Beifall für dieses Konzert mit Haydn & Co.
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: