Kultur: Konzentriert, analytisch
Deutsch-französischer Barockdialog bei Bachtagen
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Deutsch-französischer Barockdialog bei Bachtagen „ für Menschen von heute“ verstünden sich die Potsdamer Bachtage, verheißt deren frohe Botschaft. Wo allenthalben reißerische Werbebotschaften für Konsumfreude werben, darf die holde Frau Musica nicht abseits stehen. Nein, ein Cembaloabend durfte sich der Auftritt von Edita Keglerova in der Französischen Kirche nun nicht mehr nennen – es musste schon eine „Cemballerina“ sein, die das zart tönende Saiteninstrument zum Klingen bringt. Was suggeriert das originelle Wortgebilde? Tastentänze, flinke Finger, Akrobatik auf Spitze, biegsame Bewegungen, Pirouetten, Luftsprünge Das alles soll eine Cembalistin auf- und anbieten können?! Die tschechische Künstlerin, in Prag ausgebildet, offeriert laut Programm „deutschen und französischen Barock im Dialog“. Der entpuppt sich als ein wohltemperiertes Vierergespräch zwischen Louis und Francois Couperin, Jean Philippe Rameau und Johann Sebastian Bach. Deren Beiträge beherrschen natürlich den gängigen Formenkanon von Suite und Partita, Phantasie und Fuge. Der weitgehend rational geprägte Disput findet in einem dazu passenden Rahmen statt, wobei das sparsame Interieur des Kirchenraums weitgehend mit der Kargheit der Klänge korrespondiert. So lenkt nichts von der Konzentration auf die klaren, silbrig schimmernden Melodiegebilde ab. Wer von den Disputanten verfügt über die überzeugendere Rhetorik, wer geht mit Verzierungen üppiger als die anderen um? Die Cembalistin sucht es mit einer analytisch geprägten Interpretationshaltung zu ergründen. Im schlichten Gusto und Tempo spielt sie „Prelude a l’imitation de Mr. Froberger“ von Louis Couperin (1626-16661). Sparsam geht sie mit Verzierungen um. Dagegen hat Neffe Francois C. (1668-1733) seine c-Moll-Suite weitaus notenfülliger gesetzt, mit Vorschlägen und Trillern nicht gespart. Es sind stilisierte und durchgeistigte Tanzsätze, voller getragener Stimmungen. Viel höfisches Zeremoniell bringt Edita Keglerova hier zum Klingen. Koboldgleich dreht „Le Lutine“ zur finalen Abwechslung gekonnt einige Pirouetten. Was Johann Sebastian Bach mit mathematischem Gedankenreichtum bei den harmonischen Ent- und Verwicklungen in seiner Phantasie und Fuge a-Moll BWV 904 beantwortet. So muss das Hörerlebnis erst die Ratio-Hürde nehmen, um ans Ziel zu gelangen. Die Bodenhaftung bleibt bei der Vorführung klassisch-akademischen Exzercises, um im Ballettbild zu bleiben, stets gewahrt. Was Monsieur Rameau (1683-1764) sogleich mit einer Lektion an der Ballettstange beantwortet. Geht es bei Allemande, Courante und Sarabande zunächst wenig inspiriert zu, bringt sich mit „Le Fanfarinette“ und „La Triomphante“ Abwechslung ins Tanztraining. Johann Sebastian Bach greift die Ideen auf, lässt sich in seiner D-Dur-Partita BWV 828 zu festlich-frohen Stimmungen verleiten. Endlich vergisst auch die Cembalistin ihre Doktorarbeit über die „Theorie der Interpretation“, indem sie Lebendigkeit und Ausdruck in ihr Spiel bringt. Die tönend bewegte Materie profitiert davon – das Gemüt der Zuhörer nicht weniger. Der Klang gewinnt sich Volumen und Raum. Mit allen verzierungsreichen Raffinessen bringt sie den Charakter der Sätze gut zur Geltung. Herzlicher Beifall dankt für diese Bemühungen.Peter Buske
Peter Buske
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