Kultur: Konzentrierte, hemmungslose Spielfreude
Kurzweilige Wiedergabe: Die Mozart-Serenade mit der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal
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Kurzweilige Wiedergabe: Die Mozart-Serenade mit der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal Setze Mozarts aufs Programm, dann ist der Saal voll und der Erfolg garantiert. Diesem bewährten Erfolgsrezept von Konzertagenten vertraute die Kammerakademie Potsdam blind, als sie am Ostersonntag zu einer Mozart-Serenade in den (ausverkauften) Nikolaisaal einlädt. Die Erwartungen sind hoch gespannt, ist doch mit Michael Sanderling ein Dirigent angekündigt, der als Meistercellist von seinem Ruhm auch bei Gastspielen in Potsdam kündete. Wie wird er statt des Bogens nun den Taktstock zu führen verstehen? Er dirigiert wie er Cello spielt: expressiv bis zum Bersten, präzise und konzentriert in der Zeichengebung, die bedingungslos die genauesten Einsätze aller einfordert. Er setzt auf straffe Artikulation, einen aufblühenden Orchesterton. Mit der eingangs erklingenden „Haffner“-Sinfonie D-Dur KV 385 führt er seinen selbstlosen Dienst an Mozart exemplarisch vor. Dieser hat das Auftragswerk in arger zeitlicher Bedrängnis zu Notenpapier zu bringen: „Ich muss die Nacht dazu nehmen, anders kann es nicht gehen“, schreibt er am 20. Juli 1782 aus Wien an den Vater. An jedem der folgenden Posttage schickt er einen Satz an Sigmund Haffner nach Salzburg, der dort erwartungsfroh seiner Nobilitierung entgegensieht und sie mit dieser Mozartschen Novität krönen will. Anfang August wird sie aufgeführt. Was in größter Eile niedergeschrieben, von Mozart allerdings alsbald vergessen ist, entpuppt sich als eine der grandiosesten Schöpfungen des Meisters. Diesem Eindruck mag der Dirigent Michael Sanderling in seiner Deutung nicht widersprechen. Den einprägsamen Anfang des Allegro con spirito mit seinem himmelstürmenden Thema nimmt er energisch und zügig in den Tempi. Er peitscht die Leidenschaften auf, feilt die Details sorgsam aus. Er liebt dynamische Schattierungen, differenziert mit lustvoller Hingabe und kontrastiert, wo es nur geht. Kurzum: Michael Sanderling lässt die Musik atmen. Und erblühen, wie beispielsweise im Andante-Satz, den er als filigranes Klangnetzwerk ausbreitet. Die Klangfarben leuchten und funkeln. Das Menuetto kommt als bodenständiges Tanz-Spiel voller Eleganz und Esprit daher. Akzentbetont tollt das finale Presto als Kehraus vorüber. Vierundzwanzig Minuten gedankenpräziser Heiterkeit und operndramatischer Effekte sind vorüber. Und danach? Danach geht mit der siebensätzigen „Posthorn“-Serenade D-Dur KV 320 das kontrastscharfe Musizieren ungehemmt weiter. Die spannende, sich gleichsam Energien gewinnende Einleitung (Adagio maestoso) entlädt sich in einem Allegro con spirito, das vor Temperament und geistreichen Einfällen nur so sprüht. Sanderlings konzentrierte Gestik kennt keinerlei optische noch rationelle Ermüdungserscheinungen. Elegant und gelöst, dann wieder keck verspielt klingt das erste Menuetto auf, in klanggeschärfter, schmerzvoller Intensität das Andantino. Dazwischen hat Mozart gleichsam ein zweisätziges Konzert eingeschoben, in dem die Holzbläser mit längeren solistischen Aufgaben brillieren können. Was sich Flöte (Bettina Lange) und Oboe (Jan Böttcher) dabei zu sagen haben, erweist sich als ein kapriziöses bis kicherndes Gespräch zweier Verliebter. Hörnern, Trompeten und Fagotten bleiben nur Aufgaben als Akkordassistenten. Und das namensgebende Posthorn, das im Trioteil des zweiten Menuetto erklingen soll? Es ist im verwendeten Instrumentarium leider nicht vorgesehen. Und so werden seine prägnanten, signalartigen Tonfolgen auf einer modernen Ventiltrompete geblasen, wodurch der Klangreiz natürlich perdu geht. Zweifellos ein Wermutstropfen, der jedoch die kurzweilige Wiedergabe insgesamt nur kurzzeitig hindert. Der lauthalsige und klatschintensive Jubel danach ist über alle Zweifel erhaben. Peter Buske
Peter Buske
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