Kultur: Konzentriertes Agieren
HFF-Aufführung: „Der Sturm“ von Shakespeare in der Reithalle A
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Die Schwimmbad-Bühne der Reithalle A ist mit weißen Tüchern verhangen. Der „Sturm“ droht als ferner Klang. Immer lauter und dröhnender wird er durch die Instrumente, die die Schauspieler und die beiden Musiker schlagen. Auf der Empore der Bühne mit doppeltem Boden gehen sie in Stellung, die Protagonisten des „Sturms“ von Shakespeare, den Robert Gallinowski für die Schauspielstudenten der Hochschule für Film und Fernsehen neu inszeniert hat.
Dabei bedient Gallinowski sich des Tricks, Prospero, den von seinem Bruder entmachteten Herzog von Mailand, der auf einer fernen Insel lebt und auf Rache sinnt, als Doppelperson zu besetzen: Er besteht aus Mann (Volkram Zschiesche) und Frau (Jessica Richter). Zunächst trägt Volkram Richter sein Alter Ego auf den Schultern, um dann als zwei Personen zu agieren – oft synchron den gleichen Text sprechend. Prospero hat sich, während er elf Jahre in der Verbannung war, zu einer anderen Art Herrscher entwickelt: Er wurde zum großen Zauberer, zum Herrn über die Naturgewalten, die als Luftgeist Ariel (Julia Gorr) und dem Hexensohn Caliban die Macht besitzen, die nun strandenden Bösewichte in Angst und Schrecken zu versetzen. Diese landen per Schiffbruch – auf Befehl Ariels, der den Sturm entfachte – in Gestalt des Bruders Antonio (Christoph Hummig) und seiner Entourage und haben auf der Unterbühne ihr Terrain. Ariel ist mit Julia Gorr schön luftig besetzt. Sie schlägt zuerst heftig mit ihren Flügeln, die sie dann ablegt, um im strahlend weißen, mit einem Luftgeistzeichen versehenen Dress die Schwimmbad-Feuerleiter hoch und runter zu klettern, während die anderen Figuren meist auf ihrem oberen oder unteren Platz verharren. Prosperos Tochter Miranda spielt im orangefarbenen Kleidchen zu Beginn noch mit einer Puppe, einem der wenigen Requisiten, bevor sie sich verliebt: in Ferdinand, den Sohn Alonsos, der ihr auf Prosperos Befehl zugeführt wurde.
Schön die Szenen, in denen Nora Abdel-Maksoud als Miranda aus dem Bühnenduktus in die heutige Sprache fällt – da ist eine Ebene mehr im Spiel. Immer dann, wenn die Schauspieler Mut zur Heutigkeit haben, wird das Stück interessant und vermag, darauf aufmerksam zu machen, dass wir alle nur Rollen spielen und uns immer mal wieder betrogen und belogen vorkommen, aber selbst auch nicht viel besser sind. Zu diesem Eindruck kommt die entschlackte Bühne (Matthias Schaller) und das auf das Schauspiel konzentrierte Agieren, das sich wohltuend von dem oft gesehenen medialen Hype absetzt.
Viel Getöse gibt es zeitweise auf der Unterbühne, als Sebastian (Jan Dose) mächtig besoffen vom Zaubertrank gemeinsam mit Trinculo (Moses Leo) Ränke schmiedet, um Antonio umzubringen. Doch das Betrunkensein wird so oft eingesetzt, dass es ein bisschen fade wirkt. Die beiden schwachen Ränkespieler können ihren Plan nicht realisieren und haben mächtig viel Angst vor den Naturgewalten und Zauberkräften. Witzig ist die Szene, in der Caliban als Vogelmensch und Trinculo als Blondperrücke tragender Angsthase aufeinander liegen, und gut der Regieeinfall, die Bühne nicht zu überfrachten.
Manchmal entsteht bei dem zweistündigen Stück allerdings der Eindruck einer gewissen Statik, die auch die Doppelbesetzung Prosperos nicht auffangen kann, denn sowohl Jessica Richter, als auch Volkram Zschiesche sprechen im stets gleichen Machtduktus, der sie überraschungslos von Beginn an zu den Gewinnern und guten Menschen macht. Matthias Ransberger als Ferdinand darf in seiner zeitweiligen Gefangenschaft Akrobatisches am Seil und viel nackten Oberkörper zeigen, kein Wunder, dass Miranda sich sofort in ihn verliebt und die beiden einen glaubwürdigen Liebesdiskurs abliefern, der von kleinen Modernitäten unterbrochen wird. Als sie hysterisch kreischend lacht und am Ende beiläufig „Tschö“ ruft, gibt es auch im Publikum einen Lachen. Caliban (Klara Manzel) ist immer schnell und durchtrieben, man nimmt ihm den Wechsel der Seiten ab, als er sich dem König Alonso andient, der wiederum ein bisschen zu herrschaftlich-gewichtig agiert.
Begleitet werden die meisten Szenen von eigenwillig-zeitgenössischer Musik, die den Gemütslagen eine zusätzliche Klangfarbe verleihen (Robert Cimino und Oliver Grünwoldt).
So hatte die Inszenierung keine großen Höhen, enttäuschte aber das Premierenpublikum auch nicht.
Lore Bardens
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