zum Hauptinhalt

Kultur: Konzept der Abwesenheit

Robert Reynolds in der Waschhaus-Galerie

Robert Reynolds in der Waschhaus-Galerie Die heilige Mutter Gottes schlürft einen Milchshake, das Jesuskind auf ihrem Arm mampft Pommes und Hamburger. Der Heiligenschein über beiden leuchtet als Goldenes McDonalds-M. Während die Engelsschar im Himmel Zigaretten pafft, quieken mit Heiligenschein bekränzte Schweine. Im Hintergrund eine nächtliche Straßenszenerie, dunkle Gestalten scheinen zu flüchten. Das Bild „Big Mac Mary at the Riots“ von 1992 ist eines der Werke auf der Ausstellung des kalifornisches Künstlers Robert Reynolds im Waschhaus, die gestern eröffnet wurde. Reynolds geht es nicht nur um plumpe Konsum- und Kulturkritik, wie der eigens aus den USA angereiste Kurator Robert C. Morgan das Konzept der Ausstellung auf der Pressekonferenz erläuterte. Reynolds wolle aufzeigen, wie, beeinflußt durch die Medien, sich das Konzept des Begriffes „Jungfrau“ in verschiedenen kulturellen Zusammenhängen ändere. Es sei ein „emotionales Wort“, erklärt Morgan, und verweist auf die im Fenster der Waschhaus Galerie hängenden Neonschriften, die das Wort in Deutsch, Englisch und Arabisch in buntem Licht schreiben. Ein Kontrast der Bedeutungen in den verschiedenen Kulturkreisen. Zur Vernissage fuhr zudem ein Shuttle die Gäste zur Installation „Virgin“ auf die Brandenburger Straße, wo Reynolds leuchtende Jungfrauenworte dreimal den Boulevard überspannen. Sowohl in seinen Gemälden als auch in seinen Neon-Installationen arbeitet Reynolds mit markanten Kontrasten. So steht Marilyn Monroe in Filmpose im großformatigen Triptychon „Desert Wind“, gemalt in monochromen Blautönen. Zwischen einem Meer von Steinen und dem dunkelblaue von Wolkenschlieren durchzogenen Himmel existiert neben der berühmten Filmikone nichts. Als Reynolds Kontrastmittel fungiert hier „das Konzept der Abwesenheit“ (Katalog), das ebenfalls sprachlich umgesetzt in der Neonschrift „I’m not here“ verwirklicht wurde, auch wieder in drei Sprachen. Der US-Amerikaner bedient sich eines in Werbeästhetik dargestellten Paradoxons, um mit Hilfe einer Negation den Sprung von einer postmodernen Stellungnahme, die heutzutage in ihrer eher brachialen Abrechnung mit der Popkultur wenig Reibungspotenzial und Kraft für Provokation besitzt, den Sprung hin zu einer post-postmodernen Haltung zu schaffen. Für Reynolds ist eine Bedeutung jenseits seiner Bilder deswegen offensichtlich entscheidender als der Blick der Madonna auf fünf Hamburger, oder als eine Popsängerin Madonna, die in obszöner Pose einen Fisch mit der Zunge zu berühren versucht. Nachdem Reynolds in seinen Ölgemälden die Variabilität und Austauschbarkeit der zu Ikonen erhöhten Muster aufgezeigt und das auch durch einen eher flüchtigen, unsauberen Malstil unterstrichen hat, gilt sein Interesse dem kulturellen Hohlraum, der Leere hinter der sprachlich-begrifflich und symbolischen, von den Medien verzerrten Beliebigkeit. Neonwörter werden nun auf Steinhaufen förmlich abgelegt, hohle, von einem Sinn entbundende Zeichen werden einfach in einer Bedeutungswüste ausgesetzt. Wieder: „virgin“, wieder „I’m not there". Das Anliegen der Ausstellung ist eine Konsequenz daraus: herauszufinden, so der Kurator im Katalog, „was nicht wirklich da ist“. Matthias Hassenpflug Ausstellung in der Waschhaus-Galerie, Schiffbauergasse, Mo-Fr 16-20 Uhr, So 14-20 Uhr.

Matthias Hassenpflug

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false