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Kultur: „Kopulieren muss doch jeder“

Schauspieler Christian Ulmen hat ein Buch geschrieben: Er lässt die Kunstfigur Uwe Wöllner über sein Leben erzählen. Ein Gespräch mit dem eigenwilligen Uwe

Stand:

Uwe, kannst Du inzwischen selber Milchreis kochen?

Nö, Milchreis finde ich schwierig, wegen der Beutel. Wenn ich Milchreis koche, Onkel Bens, schmeckt der nicht so süß wie bei Mama. Und wenn ich Zucker dran mache, ist er zu süß, eben auch nicht so wie bei Mama.

Mit Mamas Milchreis ist es jetzt aber vorbei. Du hattest gerade einen schlimmen Todesfall zu verkraften: Der Schädel Deiner Mutter wurde durch eine Hockeykugel zertrümmert.

Was heißt schlimm? Normalerweise sterben Eltern immer früher als man selbst. Das ist zwar traurig, aber nicht zu ändern. Deshalb vielleicht ein kleiner Tipp: Man sollte sich jeden Tag einmal vor seine Eltern hinstellen, sie angucken und sagen: Bald sterbt ihr. Lasst uns vorher noch mal zusammen essen.

Mit Deinem Vater hast Du es auch nicht gerade einfach, der ist gefühlvoll wie ein Bügelbrett. Am liebsten würde man Dich wie ein Kuscheltier in die Arme nehmen und Dich vor der ach so anständigen Welt bewahren, die Dich immer wieder gründlich missversteht.

Mit in Arme nehmen, ist im Moment schwierig, wegen der Schweinegrippe und ich weiß nicht, wann der Impfstoff fertig ist. Die brüten den ja gerade erst aus in Hühnereiern. Also mit in Arme nehmen warten wir lieber noch bis Herbst.

Aber auf die Arme Deiner schönen Angetrauten, die im Club Jasmin arbeitet, wirst Du sicher nicht verzichten?

Bei Malina ist es mir scheiß egal, wenn sie mich mit Schweinegrippe ansteckt. Wir führen eine coole Ehe, eine abgefahrene Ehe, keine so spießige, wo man sich lange kennenlernen muss. Ich war erst ein einziges Mal in Malinas Wohnung und sie vielleicht siebzehn Mal bei mir, obwohl wir schon zwei Jahre verheiratet sind. Meistens treffen wir uns einfach im Club Jasmin und das Coole an der Ehe ist, dass ich nicht mehr bezahlen muss, wenn wir rödeln. Wir müssen nicht den ganzen Spießerkram machen, gucken, wie der andere drauf ist, gemeinsam in Urlaub fahren, Gemeinsamkeiten finden. Wir sind ein modernes Ehepaar, ein Ehepaar 2010 sozusagen.

Du hast Dich in Deinem Buch weit geöffnet und Dir in die tiefsten Tiefen Deines erotischen Liebesspiellebens blicken lassen. Glaubst Du, dass dadurch auch andere befreiter werden?

Ich habe nicht großartig was erzählt, wir müssen doch alle für die Evolution kopulieren. Das muss jeder Mensch. Das ist etwas ganz Natürliches und da kann man auch drüber erzählen. Ich glaube, fast jeder kopuliert. Außer vielleicht Claudia Roth, die vielleicht nicht so viel.

Aber Dein Vater wollte Dich nicht ausreden lassen, als Du auf seinem Geburtstag die Bühne betratest und über Deine Spiele mit Malina auf dem Laken des Klubs „Jasmin“ berichtet hast.

Der ist so ein bisschen spießig, wenn es um Sexualität geht. Er ist auch aus einer anderen Generation.

Du bist 31. Wie ist Dein gefühltes Alter?

Körperlich so 19. Ich bin richtig fit. Geistig eher 75. Da habe ich schon ein bisschen Weisheit gelernt.

Und Deinen Vater überrundet?

Von der Weisheit her schon, ich habe ja auch schon mehr erlebt als er.

Mit 31 wurdest Du tatsächlich schon aus dem Nest geworfen und musstest auf Geheiß Deines Vaters von Hannover-Garbsen nach Berlin ziehen.

Ich fühlte mich wie in kleinste Stücke zerhackt und eingekocht. Wie eines von Mamas Quittengelees oder wie der geschrumpfte Super Mario.

Dein Vater hat Dir auch den Job am Beerdigungsinstitut verschafft. Hast Du inzwischen Fuß gefasst als Pförtner des Jenseits?

Ja, ich durfte jetzt schon meine erste Leiche waschen und auch eine selber anziehen. Und ich leiste Beistand für die Hinterbliebenen. Das beflügelt mich schon. Ich bin auch ein bisschen berühmt geworden über Herrn Schorch, der eine Dokumentation im Internet über mich begonnen hat. Trotzdem hebe ich nicht ab und halte auch an meinem Aushilfsjob im Bestattungsunternehmen fest.

Auf Festeinstellung kannst Du wohl nicht rechnen?

Nee, die haben schon Michael Köhler eingestellt. Das gönne ich ihm aber auch, so findet er wenigstens im Berufsleben Ausgleich. Der tut mir nämlich leid, weil er voll die hässliche Freundin hat. Und meine Freundin ist total schön. Wie Penelope Cruz oder wie Pamela Anderson, nur mit schwarzen Haaren. Und seine sieht aus wie eine Vogelscheuche.

Du hast wirklich ein großes Herz. Du hast ja jetzt auch viel mit Grabreden zu tun. Hast du schon Deine eigene im Schubfach?

Das ist eine coole Idee. Da müsste drin stehen: „Uwe Wöllner war ein total intelligenter, gut aussehender Typ, und der konnte richtig gut zocken, und er konnte per Photoshop auch Bikinis wegretuschieren. Er wird in unseren Erinnerungsstirnzellen immer kleben bleiben.“

Du hast manchmal Probleme, dass Leute von Dir Antworten verlangen, obwohl Du nicht mal die Fragen verstehst. Woran kann das liegen?

Weiß nicht, hängt immer davon ab, in welchem Job ich gerade unterwegs bin. Als ich neu war in Bestattung und die sagten: Hol mal den Tigerbalsam für die Leiche, sagte ich, äh, Tigerbalsam, kenne ich gar nicht.

Und warum, glaubst Du, wollen Dir viele nicht so richtig zuhören?

Ja ist das so? Ja, die haben vielleicht Termine, viele Leute haben heutzutage viele Termine, wegen Wirtschaftskrise und so. Aber viele hören mir total gern zu, wollen auch viel von mir lernen. Nur wegen Wirtschaftskrise und wegen Termine geht das nicht immer so.

In Deinem Buch outest Du Dich als absoluter Filmfreak. Du bist förmlich das wandelnde Lexikon. Welcher Schauspieler wärst Du am liebsten?

Bruce Willis. Den finde ich cool. Der ist der goileste von allen, sieht mir auch so ein bisschen ähnlich, wenn ich die Brille abnehme.

Ich habe auch Ähnlichkeit mit Christian Ulmen festgestellt, wenn Du das Basecape mal lüften würdest.

Nee, der sieht zu gut aus, da komme ich nicht ran. Der ist einfach ein zu schöner Mann.

Das Gespräch führte Heidi Jäger

Christian Ulmen „Für Uwe“, Kindler Verlag, 14.90 €.

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