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Kultur: Kostümiertes Konzert

Schlesische Staatsoper Bytom führte Giuseppe Verdis Choroper „Nabucco“ im Nikolaisaal auf

Stand:

Auf knapp der Hälfte des Nikolaisaal-Podiums sitzt linksseitig eng zusammengepfercht das Orchester der Schlesischen Staatsoper Bytom (Beuthen). Auf dem Rest der „Bühne“ soll Giuseppe Verdis große Choroper „Nabucco“ vorgezeigt werden. Ob der räumlichen Gegebenheiten musste das Unterfangen gründlich misslingen, was es leider auch tat – obwohl der Veranstalter über die Tücken der eingeschränkten Spielmöglichkeiten in Sachen Opernaufführung Bescheid wusste. Selbst für einen konzertanten Abend wäre die Bühne zu eng geworden.

Reliefwände als Szenebegrenzung, vor schwarzem Stoffhintergrund das Rudiment eines Torbogens, zu dem eine steile Schräge empor führt (Bühnenbild: Jan Bernas) schränkten die Entfaltungsmöglichkeiten des Chores und der Solisten noch mehr ein. Konnte da überhaupt von Regie (Lech Hellwig-Górzynski) die Rede sein, für das, was sich auf der Bühne tat oder besser nicht tat?! Entweder schummelte sich die Personage irgendwie auf die Szene, stand dort sinnlos herum, mied Partnerbeziehungen oder schritt gemächlich von hier nach dort Die Gesten reduzierten sich auf zwei bis vier Grundmuster; das Singen in italienischer Originalsprache vollzog sich größtenteils an der Rampe.

Doch das Auge konnte sich erfreuen – an den historisch genauen, farbenbunten, mit vielen Fransen, Zotteln und Schnüren aufgemotzten Kostümen, wobei die für die Solisten geradezu an ein Punkerdesign erinnerten. Die Hebräer trugen lange Gewänder mit Schriftzeichen und eine Art von biblischem Tropenhelm. Die Krieger/Priester der Babylonier erschienen quasi als grünbekragte Wichtelmänner mit Kopfbedeckungen gleich Eisstockscheiben. Sehr putzig. Dass sie unter Leitung des Oberpriesters des Baal (Wieslaw Nowak) die machtbesessene Tochter des babylonischen Königs Nabucco auf den Thron erheben, sich später diesem als treue Kämpferschar andienen, danach allerdings die gefangenen Hebräer zur Hinrichtung führen, verstehe wer will. Doch Singen können sie, die Choristen der Bytomer Staatsoper. Und zwar so prachtvoll und durchschlagskräftig, dass der Nikolaisaal schier aus allen Fugen zu platzen drohte. Nachdem die Gefangenen den Chor „Va pensiero“ angestimmt haben, ist die Überraschung perfekt: so entkitscht, voller Hingabe und Klangschönheit hat man diesen Hit selten gehört! Dagegen fehlte es der folgenden Prophezeiung des hebräischen Hohepriester Zaccaria an visionärer Begeisterung und der Stimme von Zbigniew Wunsch an profunder Tiefe.

Als Titelheld verfügte Wlodzimierz Skalski über eine markante Baritonstimme, mit der er durchgängig einen herrischen König der Babylonier vorführte. Differenzierende Gestaltungsabsichten hatte er allerdings nicht. Der Fall in den Wahnsinn (nach der Gotteslästerung) führte zu keiner stimmlichen Klangfarbenänderung und damit auch zu keiner gebrochenen Figur. Deren Verzweiflung, Flehen und Erkenntnis: alles in gleicher Manie. Des Weiteren durfte man sich an zwei Fehlbesetzungen „erfreuen“: an Stefania Spaggiari als Abigaille, deren Callas-Imitation mangels technischen Vermögens (forcierte Höhen und Tiefen, starkes Vibrato, unausgeglichene Mittellage) mehr als peinlich wirkte. Dagegen verfügte der Sopran von Grazyna Marek über Volumen und feste Kontur: Sie wäre die bessere Abigaille gewesen. Doch sie war nun – ohne lyrische Linie – eine wenig überzeugende Fenena.

Das Orchester unter Leitung von Tadeusz Serafin entschädigte für alles. Man musizierte mit Brio, transparent, in zügigen Tempi; mied das Plakative so mancher Verdischen Krachbummschrummsdreivier-Erfindung, entdeckte geradezu kammermusikalische Dezenz, konnte einem Geschwindmarsch kultiviert auf die Sprünge helfen. Italianità, was das Ohr von ihnen hörte. Dem Beifall dankte man mit dem Dakapo des Gefangenenchors.

Peter Buske

Peter Buske

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