Kultur: Kraftlos
Aktuelles Filmgespräch zu „Vergiss dein Ende“
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Es ist ein schweres Schicksal, aus der die Mittsechzigerin Hannelore in dem Spielfilm „Vergiss dein Ende“ von HFF-Absolvent Andreas Kannengießer eines Morgens so rigoros auszubrechen versucht, als könnte sie einfach in ein anderes, neues Lebenskapitel wechseln. Hannelore ist am Ende ihrer Kraft. Sie lässt den demenzkranken Ehemann Klaus, den sie seit Jahren pflegt, mit dem erwachsenen, aber hilflosen Sohn Heiko allein und ohne Nachricht in der Wohnung zurück. Knall und Fall fährt sie ihrem Nachbarn Günther nach, der überraschend verreist.
Schon allein der Blick auf das Ensemble hervorragender Darsteller zog sicher am Dienstagabend viele Filmliebhaber ins Filmmuseum: in Andreas Kannengießers Debüt „Vergiss dein Ende“, der in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ vorgestellt wurde. Zu sehen waren darin Renate Krößner als seelisch ausgepowerte Hannelore, Dieter Mann als homosexueller Nachbar Günther, Hermann Beyer als demenzkranker Klaus. Sie in einem Film vereint erleben zu können, war ein cineastischer Genuss.
Der Film erzählt die Geschichte einer sich leise entwickelnden, vielleicht nur vorübergehenden Nähe zweier einsam Verzweifelter. Günther will sich in seinem Ferienhaus an der Ostsee umbringen, weil sein Lebensgefährte an Krebs gestorben ist. Und auch Hannelore, die sich an ihn klammert, schluckt in einem hoffnungslosen Moment eine Überdosis Tabletten. Durch die Unterstützung des jeweils anderen gelingt es am Schluss beiden, ihre Situation anzunehmen.
Andreas Kannengießers Debüt entstand nach dem Buch von Nico Woche, ebenfalls Diplomand an der HFF, der darin die neben dem Studium gesammelten Erfahrungen als Pfleger verarbeitet, wie im anschließenden Filmgespräch zu erfahren war.
Der Film spart nicht mit Szenen, die den schweren häuslichen Alltag mit Demenzkranken ungeschminkt schildern. Für Moderator Knut Elstermann besteht die Härte des Films darin, dass er mit großer Ehrlichkeit deutlich mache, welche Zumutung ein einst geliebter Mensch wird, wenn er an Demenz erkrankt. Der Regisseur erwiderte, dass er während der Recherche oft auf diesen Aspekt gestoßen sei, wie hart es ist, wenn ein Mensch nicht mehr so zurück kommuniziere, wie hin kommuniziert werde. Ein Gespräch mit einem Fachmann, der die Pflege auch angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft und auseinanderbrechender Familien als Chance für einen sozialen Umgang miteinander sieht, habe jedoch eine Vision entworfen, die in der Figur des Nachbarn in seinem Film durchscheine.
Es habe sie, so Renate Krößner, oft wütend gemacht, dass Menschen die für jemand anderen ein zweites Leben mitleben, keine Stimme in unserer Umwelt erhalten. Die Auseinandersetzung mit dem schweren Thema habe sie über die konkrete Filmarbeit hinaus aber nicht begleitet. „Ich bin niemand, der abends nach Hause geht und Bauchschmerzen hat, weil er mit den Figuren so mitleidet.“ Das gehöre zur Professionalität einer Schauspielerin. Andreas Kannengießer ergänzte in dem Gespräch: „Wir arbeiten im sicherer Raum. Wir zerteilen eine Geschichte ja im Filmprozess in kleine Teile, die wir dann wieder zusammen setzen.“
Sehr habe er sich gefreut, auch eine Familiengeschichte zu erzählen und eine Familie zu besetzen. Denn in der Rolle des Sohnes Heiko spielt Renate Krößners Sohn Eugen Krößner – gemeinsam mit seinem Vater Hermann Beyer.
Gabriele Zellmann
Nächste Aufführung am heutigen Donnerstag um 18 Uhr im Filmmuseum
Gabriele Zellmann
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