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Kultur: Kraftvoll, konzentriert, leidenschaftlich

Henschel Quartett bei den „Potsdamer Hofkonzerten“ im Schlosstheater im Neuen Palais

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Wer oder was darf sich anrechnen, zur „Zierde des Rokoko“ zu gehören?! Mit diesem kunstgeschichtlichen Begriff wissen Architektur und Malerei eine Menge anzufangen: Bei ersterer gefällt die heitere, liebenswürdige, aufgelockerte und so leicht wirkende Dekorationskunst, die den barocken Prunkstil ablöst. Und in der Musik? Da hat man sich schwer getan, den Begriff des Rokoko für das zwischen 1735 und 1785 Entstandene anzuwenden. Stattdessen einigte man sich auf die neutrale Bezeichnung „Vorklassik“. War es das friderizianische Rokoko des Schlosstheaters im Neuen Palais, der die Potsdamer Hofkonzerte trotz musikologischer Bedeutungsbedenken für ihre jahresgemäße Mozart-Hommage zum Titel „Zierde des Rokoko“ greifen ließ und jenen eben zu dieser erklärte?!

Den Jubilar mochten solche Gedanken wenig kümmern, wusste er doch drei seiner kammermusikalischen Werke beim Henschel Quartett (nebst Gästen) in guten Händen. Als das Ensemble in der Londoner Wigmore Hall für das Juilliard Quartet einsprang, war der Weg in die streichquartettische ChampionsLeague geebnet. Schon im einleitenden Streichquartett B-Dur KV 159 fällt auf, mit welch großem körperlichem Einsatz der Primarius Christoph Henschel zu Werke geht. Geigenbruder Markus und Schwester Monika Henschel-Schwind (Viola) lassen sich davon anstecken, wobei letztere immer wieder den Blickkontakt zu den Brüdern und zum Violoncellisten Mathias Beyer-Karlshøj sucht. Es scheint, als verstünde sie sich dabei als achtsame und konzentrierte Vermittlerin zwischen den hohen und tiefen Stimmen. Dieses geschwisterliche Einvernehmen trägt sicherlich mit zum Erfolg dieser Formation bei.

Der Musiker Zusammenspiel ist exzellent: man birst vor Expression, musiziert gleichsam auf der Stuhlkante. Man bevorzugt einen hellen, klaren und schlanken Ton, spricht sozusagen mit spitzer Zunge. Als unerschütterlicher Ruhepol im ansonsten geschäftigen Treiben erweist sich das Cello.

Diesem straff artikulierten, extrem dynamisierten, jugendlich-ungestümen Mozart folgt eine gesetzte, nicht verhetzte Wiedergabe des Klavierquartetts g-Moll KV 478. Dabei gerät ihnen die Arbeitsteilung der Instrumente vorzüglich. Das Cello ließe sich geradezu als altersweiser Philosoph voller professoraler Seriosität denken, der sich zwei neugierig forschende und redegewandte Assistenten (Violine, Viola) erzogen hat. Als vermittelnder, quasi kontrapunktierende Gedanken einwerfender Mentor erweist sich das Klavier, an dem die jungen Emiko Tadenuma mit ihrem kontrollierten Spiel zu gefallen weiß. Gelegentlich muss sie die Kontrahenten bei ihren nachsinnenden bis exzessiven Wechselgesprächen zur Ordnung rufen.

Im Streichquintett g-Moll KV 516 des nunmehr 31-jährigen Mozart verbreitet sich eine ausdrucksstarke, düster getönte Gefühlswelt. In die tritt der zweite japanische Abendgast, Kazuki Sawa (Bratsche) mit ein, der von den Henschels in ihr spannungsreiches Spiel als weitere Mittelstimme integriert wird. Anfangs drängt sich der Primarius etwas vorlaut in den Vordergrund, doch alsbald pendelt sich das Verhältnis der fünf Stimmen aufeinander ein. In Adagio ma non troppo müssen sie leise spielen. Plötzlich singen und klingen die Instrumente. Was beweist, dass man Verinnerlichung und dramatische Intensität auch wunderschön im Piano ausdrücken kann. Das ausverkaufte Auditorium feiert die Künstler.Peter Buske

Peter Buske

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