Kultur: Krieg in Asien
Friedrichs neues Projekt als Preview in Potsdam
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Dem Leiden der deutschen Zivilbevölkerung im alliierten Bombenkrieg galt die Aufmerksamkeit Jörg Friedrichs in seinem Bestseller „Der Brand“ (2002). Kaum ein anderes Geschichtsbuch der letzten Jahre forderte seine Leser mehr als dieses. Emotional rührte es an oft verdrängte Familienschicksale. Man erinnerte sich an die stockenden Reden der Großeltern und Eltern am Kaffeetisch über die ängstlichen Stunden im Luftschutzkeller, über Tod und Hunger. Friedrich schildert minutiös Planung und Zerstörung deutscher Städte durch die alliierten Bomberkommandos kurz vor Kriegsende, zeigt die Opfer (in dem Folgeband „Brandstätten“) meist Kinder, Frauen und Greise. Militärisch sinnlos, aber effizient. Politisch rüttelte Friedrich zugleich an der Festung der Ideologen, die diese Toten wegen einer wohlfeilen Korrektheit entsorgt hatten; aus dem Gefühl der Schuld und Scham heraus über die Verbrechen der Nazis.
Inzwischen ist die englischsprachige Ausgabe „The Fire“ erschienen und Friedrich ist es während zahlreicher Auftritte in den USA und vor allem in England gelungen, die Selbstgewißheit der Alliierten in diesem Punkt zu hinterfragen. Was wenige wissen, wurde nun Gegenstand seines neuen, voluminösen Buches „Yalu. An den Ufern des III. Weltkriegs“, nämlich die Fortsetzung und Perfektionierung der Flächenbombardements in dem sich anschließenden und zumindest in Europa vergessenen Krieg: dem Kampf um Korea (1950-53). Yalu heißt der Grenzfluß zwischen Nord- und Südkorea, der zum strategisch wichtigen Schauplatz des Koreakrieges wurde. Was diesen Krieg so besonders machte, war die neu gewonnene Möglichkeit, „einen verlustreich verlaufenen Krieg mit zwei Streichen einer Wunderwaffe zu entscheiden“(Friedrich), wie in Japan geschehen. Und so schwebte über dem gesamten Krieg die Gefahr, tatsächlich im atomaren Gau zu enden. Doch im Angesicht der totalen Zerstörung konnte man schließlich froh darüber sein, das die Amerikaner selbst Zweifel hatten über die Moralität eines atomaren Schlags: „Die Masken des amoralischen Angreifers und des moralischen Verteidigers werden fließend und kennzeichnen keinen mehr“, fand das Strategic Bombing Survey, das die Lutfoffensive des II. Weltkriegs analysiert hatte.
Auf dem Schlachtfeld Korea brach schließlich die Alliierte Koalition zusammen, die noch gegen Nazideutschland zittrig gehalten hatte, und Stalin zeigte sich im Bund mit China und Nordkorea entschlossen, den kommunisten Einfluß in Asien ohne Rücksicht auf Verluste zu erweitern. Friedrich hat in einer ihm eigenen „Materialschlacht“ zahlreiche Quellen ausgewertet und eine beeindruckende Studie des Krieges vorgelegt, die an die Suggestionskraft seines „Brand“ anschließt. Als Privatgelehrter ohne universitären Rückhalt besticht sein Werk durch ein hohes Maß an Unabhängigkeit gegen alle Seiten hin, ganz zu schweigen von seiner famosen und seltenen Art des freien Vortrags. Hendrik Röder
Heute, 20 Uhr, Villa Quandt, Große Weinmeisterstr.46/47, Voranmeldung unter: 0331/2804103.
Hendrik Röder
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