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Kultur: Krisengebiete

Michael Lüders schrieb ein Buch über den Nahen und Mittleren Osten: „Tee im Garten Timurs“

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Michael Lüders schrieb ein Buch über den Nahen und Mittleren Osten: „Tee im Garten Timurs“ Von Jörg Muth Kirgistan, Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan stehen im Mittelpunkt des ersten Teils des Buches „Tee im Garten Timurs“ von Michael Lüders. Nach eigenen Angaben bereiste der Autor die vier erstgenannten Länder im Sommer 2002, während er für Turkmenistan kein Visum erhielt. Alle Länder waren Provinzen der ehemaligen Sowjetunion und sind 1991 unabhängig geworden. Es verwundert nicht, dass der Autor über große Armut in den Ländern zu berichten weiß. Die jeweiligen Regierungen werden als nicht willens oder als nicht in der Lage beschrieben, sich der Leiden der Zivilbevölkerung anzunehmen. Hinzu kämen eine oft disproportionale Verteilung ethnischer Gruppen, welche in jedem der Länder zu Spannungen führen würden. Diese Spannungen und die Verarmung mündeten nach Ansicht des Schreibers in einem großen Zulauf bei den radikal-islamischen Gruppierungen. Die vom Autor bereisten Länder gehören seit dem Mittelalter zu den geschichtsträchtigsten dieser Welt. Es verwundert, dass er dennoch nur 70 seines 180 Seiten dünnen Buches mit Beschreibungen von diesen Ländern und deren Kulturen füllen kann. Zahlen über Bruttosozialprodukt, ethnische Verteilung und Moscheebauten dominieren ganze Abschnitte. Kaum eine Zahlenangabe wird mit Quelle geliefert. Bei der bekannt mangelhaften Infra- und Kommunikationsstruktur der genannten Länder handelt es sich also um unsichere bis spekulative Daten. Wenn wirklich neue Informationen über die Seilschaften und die Korruption der Regierungen bekannt gegeben werden, führen sie oft den Zusatz „angeblich“ oder „sollen gewesen sein“. Warum Länder und Kultur des Mittleren Ostens so kurz kommen, wird im zweiten Teil des Buches, der mit „Allmacht“ betitelt ist, deutlich. Eigentlich scheint es um eine Abrechnung mit den Vereinigten Staaten, deren Präsident George W. Bush und Israel zu gehen. Lüders beklagt auch die Situation in Afghanistan. Der Staatschef Hamid Karzai werde von der Nordallianz nur als „nützlicher Idiot“ gesehen, der es ihren Mitglieder erlaube, die meisten Posten in der Regierung zu besetzten und somit für ein politisches Ungleichgewicht zu sorgen. Lüders behauptet, die Sicherheitslage sei unter den Taliban besser gewesen, sie seien nur durch „die westlichen Medien dämonisiert“ worden. Es habe sich für die Frauen fast gar nichts geändert, sie müssten weiter einen Ganzkörperschleier tragen. Aktuelle Reportagen über den Alltag in Kabul zeigen jedoch, dass nicht nur mit den Fakten des Autors etwas nicht stimmt. Hier gleitet seine Sprache auch in unredliche Polemik ab. Bei den vermeintlich intimen Kenntnissen des Autors über Afghanistan verwundert es zudem, dass er statt des von ihm verschmähten, international jedoch hoch angesehenen Hamid Karzai, keinen Alternativkandidaten anbieten kann. Im folgenden Kapitel über den Irak kritisiert der Autor die dortige, hinlänglich bekannte Situation. Für den aufmerksamen Zeitungsleser bietet es nichts Neues. Am Ende kommt Lüders zum Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis. Der Autor gibt zwar an, beide Seiten verstehen zu können, verschiebt die Argumentation dann allerdings polemisch zugunsten des „Davids“ Palästina, der unter dem „Staatsterrorismus“ des „Goliaths“ Israel leiden müsse. Der Autor wirft historische Erkenntnisse für eine bequeme und willkürliche Argumentation über Bord. „Ich denke, das vorliegende Buch informiert jenseits der gängigen Parolen und Gewissheiten“, schreibt Michael Lüders nicht ganz unbescheiden in seinem Vorwort. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Das Buch reiht sich in eine Folge von Publikationen ein, die antiamerikanische und antiisraelische Parolen zum Besten geben. Die Wurzel des Terrorismus ist für den Autor die Armut in den arabischen Ländern. Eine weitere „gängige Gewissheit“, die nicht zutrifft. So wie Rechtsradikalismus nicht zwangsläufig etwas mit Arbeitslosigkeit zu tun hat, ist Armut nicht gleichbedeutend mit Terrorismuszulauf. Die meisten der ärmsten Regionen der Erde haben keine Terroristen hervorgebracht. Die bekannten Biografien von Selbstmordattentätern machen deutlich, dass viele aus dem Bürgertum stammten und keine Not leiden mussten. Die deutschen Terroristen der RAF kamen mehrheitlich aus besten Verhältnissen. Terrorismus ist in erster Linie eine Geisteshaltung. Er ist zu bedrohlich und komplex, als dass er mit den einfachen, in diesem Buch vorgestellten Parolen, analysiert werden könnte. Michael Lüders spricht am Dienstag um 19 Uhr im Potsdamer Alten Rathaus über sein Buch.

Jörg Muth

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