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Kultur: Kritisch-produktive Zweifel

Der Schauspieler Hilmar Thate im Gespräch mit Lea Rosh vom Theaterförderkreis

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Kein Stuhl blieb leer beim Gespräch zwischen Hilmar Thate und Lea Rosh in der Villa des Potsdamer Industrieclubs. Eingeladen hatte der Förderkreis des Hans Otto Theaters und alle wollten hören, was der bekannte Schauspieler mit der bewegten Ost-West-Vergangenheit zu erzählen hatte.

Hilmar Thate, einst Star am Berliner Ensemble, dann Schauspieler bei Rainer Werner Fassbinder und George Tabori sowie langjähriger Ehemann von Angelica Domröse ergriff die Gelegenheit beim Schopf. Auf Lea Roshs klare Fragen nach privaten, politischen und professionellen Ereignissen und Entscheidungen gab der Sechsundsiebzigjährige beschwingt Auskunft. Mit cooler, dunkel getönter Brille im Gesicht, Struwwelhaaren und Dreitagebart wirkte er deutlich jünger. Seit über dreißig Jahren ist er mit „der Domröse“ verheiratet, auch auf der Bühne und im Film agierten sie zusammen. Da wollte Lea Rosh gern wissen, „wie man das macht“. Nun, sie sei ihm immer die wesentlichste Person gewesen, man müsse stets neugierig bleiben, und überhaupt hätten sie ja auch die Abgründe des Lebens zusammengebracht, erwiderte der muntere Mime. Schwierig wurde es manchmal nach gemeinsamen Auftritten, dann wurde „ausgewertet in Form von Streit“, bekundete Hilmar Thate. Doch heute würde er den Beruf des Schauspielers nicht mehr ergreifen, denn er sehe zu viel schlechtes Theater, überhaupt wären die Begabungen früher viel mehr gefördert worden. Beifall vom Publikum gab es für die Äußerung, dass das Theater früher politischer und ästhetisch reicher gewesen sei. „Kritischen, produktiven Zweifel“ habe es bei Brecht und seinen Nachfolgern am Berliner Ensemble gegeben, wo Thate von 1959 bis zum Tod von Helene Weigel 1971 engagiert war. Anschließend spielte er am Deutschen Theater, bis sein standhafter Protest gegen die Ausweisung von Wolf Biermann zur Ausreise führte. Auf Lea Roshs Frage, warum er so lange in der DDR geblieben sei, antwortete er offen, dass ihm der Versuch gefallen habe, etwas Neues anzufangen, frühe Theatererlebnisse, etwa bei Brechts „Mutter Courage“ und die Lektüre von Feuerbach, Marx und Hegel habe ihn begeistert. Doch die ursprünglich gehegte Erwartung, dass es mit dem Bau der Mauer eine „Befriedung“ geben würde, ging beim Fall Biermann endgültig zunichte. Thate und Domröse reisten nach West-Berlin aus, wo sie zunächst am Schillertheater engagiert wurden.

Schnell gab es auch Film- und Fernsehangebote, etwa in Rainer Werner Fassbinders Films „Die Sehnsucht der Veronika Voss“. Die zweite große Theatererfahrung bescherte George Tabori, den Thate bereits in der Kantine des Berliner Ensembles kennengelernt hatte. Lustvoll parodierte er Taboris ungarisch-jüdische Sprechweise und erzählte viele Anekdoten über diesen großen Theatermann, der Thate und Domröse dazu gebracht hat, in Gaston Salvatores Zwei-Personen-Stück „Stalin“ zu spielen. „Ich glaube schon, Stalin ist besser eine Frau“, habe Tabori nach langem Nachdenken gesagt, und der Domröse die Titelrolle gegeben.

Mehr über Hilmar Thates bewegtes Künstlerleben findet sich in einem Film des MDR, der im Oktober gezeigt wird sowie in Thates Autobiographie, die unter dem Titel „Neulich, als ich noch Kind war“ erschien. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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