
© Michael Lüder / BKV Potsdam
Kultur: Kühl in Grün
Der Pavillon auf der Freundschaftsinsel zeigt Bilder von Frank Nitsche
Stand:
„Ich hatte mit China noch eine Rechnung offen“, stellt Frank Nitsche klar. Deshalb betitelt er seine aktuelle Ausstellung im Pavillon des Brandenburgischen Kunstvereins auf der Freundschaftsinsel „Hallo China“. Ein Kritiker hatte dem recht bekannten Maler vorgeworfen, er konzentriere sich mit seiner Ausstellungstätigkeit auf den asiatischen Raum, spare dabei aber China aus. Da Nitsche aber niemand diskriminieren wolle, grüße er nun aus der Ferne das bevölkerungsreichste Land der Erde. Vielleicht ist es nur eine schön ausgedachte Anekdote, die der Künstler etwas verschmitzt zum Besten gibt. Aber die Gebilde, die Nitsche auf großformatigen Leinwänden zeigt, erinnern tatsächlich an etwas fremdartige Wesen. Grüne Formen, vielleicht sind es Gesichter, mit zwei aufrecht stehenden, schmalen Augen, könnten Porträts ferner Marsmännchen sein. Dass überhaupt gegenständliche Formen in den Bildern des 1964 in Görlitz geborenen Malers erkennbar sind, ist ungewöhnlich.
Bekannt wurde Nitsche mit Bildern, in denen er akribisch völlig plane Flächen zu abstrakten Formgebilden übereinander stapelte. Linien, Schleifen und Geometrien überdecken, verdecken und durchbrechen sich. So entsteht ein Bildganzes, das zwar diffus an Dinge, Räume und Gegenstände erinnert, diese aber nie klar benennt. Dem entsprechen zumeist die Titel, die aus kryptischen Kombinationen aus Buchstaben und Zahlen bestehen und auf das Entstehungsjahr verweisen.
Nitsche studierte bis 1995 an der Hochschule für bildende Künste in Dresden. Passend zur neu entdeckten Figuration aus Leipzig, die zur Jahrhundertwende boomte, formulierte er eine konsequent abstrakte Gegenposition, die sich aller neoromantischen Süßlichkeit verweigert. Kühl und klar konstruiert entstehen bei ihm Bildräume, die mit ihren messerscharf ausgeklügelten Proportionen geradezu das Gegenprogramm zur wiederentdeckten Illustrationsfreudigkeit in der Malerei sind.
Mit der Ausstellung in Potsdam geht Nitsche allerdings einen Schritt weiter auf einem Weg, der ihn weg von der reinen Konzeptmalerei und hin zu durchaus verschmitzt anekdotischen Bildmomenten bringt. Wenn aufrecht stehende ovale Formen plötzlich wie etwas klobige Dreibeiner durch die Fläche tapsen und ein sonderbar dekonstruierter Stuhl in eine riesengroße Gesichtsform hineinragt, so erinnert das ein wenig an den späten Kandinsky. Dessen Bilder hatten ebenfalls eine Neigung, aus vorgeblich abstrakten Bildelementen zu deutlich gegenständlichen Kompositionen zu finden. Die Farbigkeit der großformatigen Tafeln des Gegenwartsmalers ist jedoch erheblich zurückhaltender. Nitsche nimmt einen ziemlich kühlen Grün- und einen zumeist ziemlich dunklen Grauton, um seine Tafeln zu strukturieren.
Die Großformate sind unmittelbar vor den Fensterscheiben des Baus postiert, der ein wenig an Mies van der Rohe im Miniformat erinnert. Ähnlich wie die Kuratoren der Nationalgalerie steht auch der Brandenburgische Kunstverein bei jeder Ausstellung vor der Herausforderung, Exponate in einem Raum zu zeigen, der nicht unbedingt zu Expositionen Bildender Kunst einlädt. Die Spannung zwischen den Präsentationsnotwendigkeiten der Flachware und dem luziden Raumgebilde hat der Kunstverein allerdings bisher noch bei jeder Ausstellung in mustergültiger Weise gelöst.
Die kalte grüne Farbigkeit von Nitsches Bildern korrespondiert jetzt in idealer Weise mit dem erblassten Grün der Flora auf der Insel. Mit ihrer Hinwendung an den Außenraum ziehen die Tafeln auch die Blicke derjenigen auf sich, die es sonst möglicherweise nicht wagen würden, eine Ausstellung mit Gegenwartskunst zu betreten. Eine Zeitschaltuhr sorgt vom Nachmittag bis in die Nacht und dann wieder am frühen Morgen für Beleuchtung. So können auch die Anwohner der nahe stehenden Wohnblocks und Bahnheimkehrer einen entfernten Blick auf die großformatigen Arbeiten werfen.
„Unser Elektriker meinte, es wäre doch schade, wenn die Bilder immer nur während der Öffnungszeiten zu sehen seien. Nun lassen wir das Licht länger an“, weist Kurator Gerrit Gohlke auf den Wunsch eines befreundeten Handwerkers hin. Für die gegenwärtige Ausstellung hat der Verein zusätzliche Lichter geschenkt bekommen, die dem Pavillon dauerhaft zur Verfügung stehen. Die mobilen Wände ermöglichen eine ständig flexible Ausstellungsarchitektur. „Wir entwickeln den Pavillon und sprechen gerne mit Besuchern, die Fragen haben“, sagt Gohlke.
Aufgrund der generellen Offenheit des Pavillons hätten sich die Besucherzahlen gut entwickelt. Mit seinem Ausstellungskonzept setzt der BKV einen gelungenen, avantgardistischen Kontrapunkt zum Stadtschloss mit seiner neu entstehenden, possierlichen Prächtigkeit mit Originalputten.
Die Ausstellung Frank Nitsche „Hallo China“ ist zu sehen bis 29. Januar, Pavillon Freundschaftsinsel, Dienstag bis Sonntag, 8 bis 17 Uhr
Richard Rabensaat
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