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Kultur: Kühles Porzellan, innige Blütenpracht

Charis Schwinning und Hendrik Schink im Pavillon auf der Freundschaftsinsel

Stand:

Während draußen in schöner reiner Unschuld der Schnee, als sei er der erste dieses Winters, die Gräser, Steine, Bäume und Wege der Freundschaftsinsel mit seinen eigentlich wunderschönen Kristallen überzog, hatten sich drinnen viele Menschen versammelt, um per Farbe, Musik und Ästhetik ihr Recht auf Frühling einzufordern. Das geschah nicht in Form einer Protestveranstaltung mit Sprechchören, sondern, wie es Art der Kunst ist, durch Ästhetik.

Im Pavillon wurde die erste Ausstellung des Jahres mit Bildern von Charis Schwinning und Porzellanskulpturen von Hendrik Schink eröffnet und zu Kaffee, Kuchen, Wein und Quiche warf Lutz Andres elektronische Klänge in den Raum, dass man meinte, jetzt könne die Sonne gar nicht anders als erscheinen. Sie gehorchte aber nicht, was wiederum der aufgeräumten Stimmung im Pavillon keinen Abbruch tat. Dafür sorgten schon die Bilder von Charis Schwinning, die eine Ahnung von Frühling, Sommer und Herbst in den Raum warfen.

Schwinning geht in ihren Aquarellen und Ölbildern ganz nah an die Blume heran, fast in sie hinein. Zoomartig eröffnet sie dem Betrachter einen intimen Blick in die Blütenpracht, z.B. in den „Phlox“ oder den „Rittersporn“, wobei sich die einzelnen Blumenkelche in der farbigen Gemeinsamkeit mit den sie umgebenden Farbtupfern weiterer Blüten fast aufzulösen beginnen. Stiele und Ranken sind nicht zu erkennen, es ist der Blick von oben, der, den man im Sommer und frühen Herbst selbst am liebsten vornimmt: das Eintauchen des gesamten erweiterten Riechfeldes in diese changierenden blau-rot-gelb-violetten- Naturwunderteppiche. Schwinnings Blütenmeere duften zwar nicht, aber sie haben den Vorteil, nicht zu vergehen und Ahnung dessen zu beschwören, was die simple Veränderung der Natur durch die Jahreszeiten im Menschen bewegen kann. Tiefrote Malven stehen tröpfchenweise monochrom auf der Leinwand, dass sie an vergangene Hoch-Zeiten der Naturmalerei erinnern: etwa an Sibylle Merian, wobei Schwinning durchaus den Impressionismus kennt und in ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Künstlerin schöpft aus der Natur, die sich vor ihrer eigenen Haustür befindet. Sie hat einen Garten nach Vorgaben Karl Foersters angelegt, einige der Pflanzen stammen noch aus seiner Züchtung, und interpretiert auf vor allem in dunklen Zeiten beglückende Art des großen Gartenmeisters Diktum: „Es wird durchgeblüht“.

Während Schwinning nur vor die Haustür tritt, um zu ihrer Inspiration zu gelangen, gräbt Hendrik Schink in den Tiefen antiker Mythen. Mit der von ihm entwickelten Hartporzellantechnik baut er Figuren aus der griechischen Mythologie, wie etwa den „Zentaur“ oder „Penthesileia“ streng, kühl und meist distanzierend auf. Perfekt beherrscht er die Technik der Intarsierung, etwa bei dem „Schweizer“, der als arm- und blickloser Gesell auf wundersame Weise eine Art Persönlichkeit erhält. Bei den drei Köpfen „Nave Nave MDE“ durchzieht Schink das teilweise glänzendweiße Porzellan mit farbig marmoriertem Sandgemisch, das die Fremdheit des reinweißen Materials mildert und erdig-grüne oder rote Töne bringt. „Paris“, der kopflose Torso, hält seinen marmorierten Rücken sehr gerade und weist auf den Garten da draußen. Als scheine er Befehl geben zu wollen, jetzt doch endlich aufzublühen. Wie soll er sonst genügend Kraft entwickeln, um eine schöne Helena zu rauben? Die Kombination zwischen den die Balance vor dem Kitsch erhaltenden hochemotionalen Arbeiten Schwinnings und den kühl-distanzierten Porzellanwerken Schinks ist ein kluger Schachzug der Organisatoren.

Was bei der einen zu sehr in den warmroten Gefühlsbereich wallen und bei dem anderen die Herzen erstarren lassen könnte, balanciert sich in dieser Kombination auf das Trefflichste aus.

Lore Bardens

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