Kultur: Kulissenarchitektur
15 Kunst- und Designstudenten aus Dänemark richteten im Brandenburgischen Kunstverein ihr Kunst-Labor ein
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Wo bitte geht es hier zur Kunst? Eine sowohl berechtigte als auch provokante Frage, die sich im Ausstellungsraum des Brandenburgischen Kunstverein Potsdam ganz aktuell in den Vordergrund drängt. Der weiße Ausstellungsraum präsentiert sich im Umbruch. Schnell wird offensichtlich: Hier ist noch längst nicht alles fertig. Die gestellten Lattengerüste, der improvisierte Schreibtisch, das noch im Werden begriffene „Schaubild des Vertrauens“ markieren eine Arbeitssituation, ein Atelier, ein Labor.
In der Tat handelt es sich hier um ein Labor der besonderen Art, das sich in den nächsten Wochen für die interessierte Öffentlichkeit öffnet. 15 junge Künstler und Designer, ihres Zeichens Studenten der Königlich Dänischen Kunstakademie und der Dänischen Designschule DKDS aus Kopenhagen, haben dieses Kunst-Labor gemeinsam geschaffen. Und sind damit der Einladung des Brandenburgischen Kunstvereins gefolgt, ihre eigenen Vorstellungen davon zu formulieren, was für sie ein Ideallabor eigentlich ist.
Mit dieser Konzeptvorgabe haben die beiden Kuratoren Gerrit Gohlke und Silke Albrecht die Ursprungsidee des übergreifendes Projektes CROSSKICK, das insgesamt 26 europäische Ausbildungseinrichtungen für Bildende Kunst und Design und 13 deutsche Kunstvereine zusammenbrachte, auf sehr eigenwillige Weise umgesetzt. Denn das von der Arbeitsgemeinschaft deutscher Kunstvereine initiierte Projekt zielt zum einen auf eine Abbildung der sich sehr unterschiedlich darstellenden Ausbildungssituation an den Kunsthochschulen und Akademien in Ost- und Westeuropa. Zum anderen geht es in dem von der Kulturstiftung des Bundes und dem MWFK geförderten Projekts darum, den Studierenden selbst die Gelegenheit zu geben, ihre persönliche Sichtweise der Situation zu formulieren. Um diese Befragung aller Beteiligten nicht auf eine Studie zu reduzieren, wurden seit Mai 2006 ausgesuchte Studenten der Fachrichtungen Kunst und Design aus ganz Europa nach Deutschland eingeladen, um in einen direkten Austausch mit den Kunstvereinen zu treten.
Potsdam ist neben der Neuen Chemnitzer Kunsthütte der einzige ostdeutsche Kunstverein, der sich an diesem europaweiten Projekt beteiligt. In der Potsdamer Versuchsreihe „Autolabor“ präsentieren die jungen Künstler und Designer aus Kopenhagen Ergebnisse monatelanger Recherchen, Interviews, Forschungen und Experimente rund um die Produktionsbedingungen von Kunst und das eigene künstlerische Selbstverständnis. Die Arbeit im Team wurde dabei wie von selbst zum positiven und überhaus produktiven Nebeneffekt. Dieses Zusammenwirken, ja man kann sagen diese gegenseitige künstlerische Befruchtung, wird am Beispiel der Kooperation zwischen der Performerin Nanna Lysholt-Hansen und der Bildhauerin Julie Galsbo, die in ihren Arbeiten unmittelbar aufeinander Bezug nehmen, besonders plastisch. So wie der mitsamt zerbrochener Glasscheibe mit Wollfäden dicht umgarnte Hocker von Julie Galsbo in Reaktion auf die beiden gezeigten Videos der Performerin entstanden ist, war am Eröffnungsabend eine eindrucksvolle Performance von Nanna Lysholt-Hansen im Dialog mit einem Körperabdruck aus Gips der Bildhauerin zu erleben.
Es ist spannend, sich beim Rundgang durch das „Autolabor“ auf die Spuren der Selbstbefragungsstrategien der jungen Künstler auf dem Weg zu ihrem Ideallabor zu begeben. Wer genau hinsieht, kommt dabei auch sich selbst ein bisschen mehr auf die Schliche.
In wirkungsvollem Kontrast dazu steht die vergleichsweise distanziert erscheinende Pose der Designer. Statt fertiger Ergebnisse präsentieren sie den Laborcharakter ihrer intensiven Erkundungen durch eine zentral im Ausstellungsraum implantierte transparente Kulissenarchitektur.
Im Brandenburgischen Kunstverein Potsdam e.V., Brandenburger Str. 5, bis zum 4.11., Di-So 12-18 Uhr.
Almut Andreae
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