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Kultur: Kultiviert und opulent

Gaudy trifft Sudermann in Blankensee: Auftaktveranstaltung der URANIA-Reihe „Im Garten vorgelesen“

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Zum fünfzigsten Jubiläum darf man sich ruhig wiederholen, meinte Renate Bormann am Ende der Auftaktveranstaltung von „Im Garten vorgelesen“ fernab der großen Stadt. Vor sechs Jahren hatte die URANIA diese Reihe in Kooperation mit Klaus Büstrin in Schloss Lindstedt aus der Taufe gehoben, und was man damals vortrug, stand auch am Sonntagabend auf dem Programm. Erinnert sich, wer damals nicht dabei gewesen?

Klaus Büstrin jedenfalls nannte den mehr als 200 zugereisten Besuchern zwar den Namen Franz Freiherr von Gaudy (1800-1840), verschwieg im verwunschenen „Garten“ des Dichters Hermann Sudermann in Blankensee aber den Titel der heiteren Moritat. Das Schloss selbst, eher ein bescheidenes Gutshaus, hatte Christian Wilhelm von Thümen 1740 ausgebaut, 1832 plante Lenné den Garten dazu, welchen Sudermann, durch schriftstellerische Erträge sehr reich geworden, 1902 erwarb.

Was er im Park, von der stillen Nieplitz durchflossen, peu a peu veränderte, ist heute nicht mehr erkennbar. Urgewaltig, efeuumwachsen streben die majestätischen Bäume seitdem zum Himmel, eine Eiche hält sich sogar im Winkel von 60 Grad. Reich mit Fink und Specht, Häher und Zilpzalp ist die Vogelwelt in dem viereinhalb Hektar großen Gelände versammelt, Fische springen im Wasser, darüber tanzen die gierigen Mücken.

Winkel gibt es, Brücken wie in Venedig, Skulpturen südlicher Herkunft versteckt in den Schatten des Grün. Sudermann liebte Italien. Ein deutscher Park ist es dennoch geworden: die dunklen kräftigen Töne, die Macht der Gewächse des Nordens triumphieren längst über die zarte, transalpine Struktur. Hier kann man direkt studieren, was Goethe und Hegel einst mit „Geist des Nordens und des Südens“ meinten. Sudermann (1857-1928) schuf also hier Literatur, aber den Veranstaltern schien für diesen Ort viel zu ernst, was Sudermann schrieb. Gaudy hingegen, dessen Werk trotz seiner acht Bände kaum einer kennt, war heiteren Sinnes. Er verfasste an Béranger erinnernde Romanzen, spöttische Gedichte, Erzählungen wie der als „venezianische Novelle“ getarnte Prosatext von den „Vertauschten Köpfen“, welche Klaus Büstrin mit ungeheurer Anteilnahme und temperamentvoller Gestaltungskraft in Sudermanns „Italienischem Garten“ las.

Darin wird das Abenteuer des Gondoliere Antonello und seines patrizischen Fahrgastes Horatio Memo in Venedig geschildert, welche einer heidnischen Schönen bis in den nie gesehenen Zaubergarten eines boshaften Buben folgen, dort dem dionysischen Rausch erliegen, enthauptet, von einem Dottore aus Padua mit dem Zauberpulver Perlimpimpino zwar geheilt werden, allerdings mit vertauschten Köpfen, um von den Offiziellen des Dogen ein zweites Mal ihren Kopf zu verlieren. Es gibt ein verwundertes Erwachen, ein südlich-heiteres Finale – traurig, wer diese heitere Lesung verpasste, denn das Ding mit dem Pulver, begehrlich auch der modernen Medizin, wurde ja letztlich nie bis zur Gänze aufgeklärt ...

Sehr opulent und kultiviert gab das Potsdamer Ensemble „Folies de danse“ in historischer Kostümierung passende Barock-Tänze an jener Stätte dazu, mit der sich Sudermann erst kurz vor seinem Tod ein Flair italienne nach eigenen Wünschen erschuf. Zwei Passepiede, Menuette, Allemande, Giges, ein Bass Danse mit venezianischen Masken und pechschwarzen Umhängen gliederten diese Lesung alternierend.

Gutes Wetter, Kulinarisches von den neuen Betreibern des Schlosses, alles paletti zum Auftakt.

Gerold Paul

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