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Kultur: Kunst, die Spaß hat

Ausstellung „X Me“ im Luisenforum ist ein „Crossover“ von 17 Künstlern, die in Strodehne arbeiteten

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Ausstellung „X Me“ im Luisenforum ist ein „Crossover“ von 17 Künstlern, die in Strodehne arbeiteten Kann moderne Kunst uns in unserer Individualisierungsfalle helfen? Die Welt wird immer komplexer und der Einzelne findet sich nicht mehr zurecht. Und was macht die Kunst? Auch sie wirkt häufig viel zu hermetisch. „X Me“ – „cross me“ heißt das wohltuende Rezept dagegen, das eine Gruppe von 17 Künstler um Sabine Heron in zweieinhalb Jahren Projektarbeit entwickelt hat und das am Freitag auf einer vielbeachteten Vernissage vorgestellt wurde. Das Kreuz bedeutet hier, Verbindungen zu schaffen zwischen Künstlern, ihren Werken und bevorzugten Medien, aber auch ein gewünschtes Eindringen fremder Einflüsse ins eigene Schaffen, ganz im Sinne der Aufforderung: „durchkreuze meinen Egoismus.“ In einem „Crossover“ wurden im idyllischen Künstlerdorf Strodehne Ideen, Bilder und Vorstellungen in vier Workshops entwickelt. Das Ergebnis in den Räumen des Brandenburgischen Kunstvereins zeigt Motive, wie die nicht nur räumlich zentrale Installation „Umraum“ von Jost Löber – ein begehbarer, doppelwändiger mit durchsichtiger Folie umspannter Kubus – die zu anderen Exponaten in Bezug gesetzt wurden. Löbers den Blick brechender Würfel ist so in den mehrfach belichteten Fotos „CrossOver“ von Chady Seubert wieder zu finden. Durch die Zwischenräume der in Telecom-Margenta getünchten Ziegelwand M-City von Heron ist nur ein löchriger Blick auf die anderen Fotos, Gemälde und Videoproduktionen in der Halle möglich. Ein virtuelles Netz von Beziehungen und Interaktionen entsteht, das keine Simulation der vernetzten sozialen Realität bedeutet, aber zumindest dem vormals autarken Kunstwerk zusätzlichen Beistand gewährt. Mit der Wärme, die das Werk so in der Gruppe erfährt, indem es mit den anderen „spricht“, wappnet sich die Kunst gegen Vereinsamung – und die Gefahr der Nichtbeachtung. Und es scheint, das Gespräch zwischen ihnen, wie z. B. zwischen „M-City – Top 10“, einem transparenten Fotoprint, und Löbers „Umraum“, der auf dem Druck zu einem Wohnraum umgedeutet wurde, erzeugt Vergnügen. Der im Wechselspiel erzeugte Spaß an einer Kommunikation ist auch für den Betrachter eine direkte und wesentliche Antwort: Ja, Kunst kann helfen, sie kann Freude vermitteln und Entdeckungen ermöglichen. Den Blick herausfordern: mit „Pixel + Paint" hat Sabine Heron den französischen Pointillismus zu einem medienkritischen Extrem vereinfacht: Die Punkte sind keine Computerausdrucke, sondern gepinselt und nur auf den Rot-Grün-Kontrast reduziert, zudem interagieren sie mit Motiven von Chady Seubert. Die Landschaft der Künstlerkolonie Strodehne ist die sichere Gründung vieler Arbeiten, ob sie in Titus Gralls Fotoinstallation „Landmaschine“ oder seiner Videoarbeit „All in One II" als Hintergrund dient. Sicher, auch ein Kunstwerk braucht Heimat. Die mit Fotos und Video dokumentierten Kunstaktionen von Schumacher + Jonas heben sich von dem allen ab, weil sie Schlüsselfunktion besitzen. Girlanden aus Popcorn und Babies in Planschbecken voller Puffmais umschreiben und ironisieren mit den Begriffen „Popcornisierung“ und der Antwort „Postpopcornisierung“ darauf die gesellschaftlichen Koordinaten, innerhalb derer „X Me“ arbeitet. Die ironische Brechung von Schumacher + Jonas“ Aktionen zähmt die virtuelle Simplifizierung (man könnte auch sagen: Verblödung) unserer an sich chaotischen Welt. Das Crossover von „X Me“ schickt das Kunstwerk in ein virtuelles Netzwerk von Bedeutungen und medialen Ausdrucksformen und simuliert ein fröhliches Geplauder zwischen den selbständigen Bildern. Und wer dem zugehört hat, kann in dem Raum „Schreib“ mir“ das Erlauschte dem Ganzen zurückgeben. Matthias Hassenpflug Bis 26. Nov.; geöffnet Die – So, 12 – 18 Uhr; Performances freitags, 20 Uhr.

Matthias Hassenpflug

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