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Kultur: Kunst hat immer das Wort dabei

Texte des Malers Peter Rohn wurden inmitten seiner Ausstellung von Schauspielern des Hans Otto Theaters gelesen

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Texte des Malers Peter Rohn wurden inmitten seiner Ausstellung von Schauspielern des Hans Otto Theaters gelesen Gutgelaunt und mit einem extrem prononcierten „Guten Morgen“ begrüsste Frühaufsteher Peter Rohn fast 100 Gäste Theatersaal im Alten Rathaus. Vor den Türen seine Personalausstellung, lichte Bilder von einiger Strenge, dunkel-morbide Stadtlandschaften aus den ebenso finsteren 80er Jahren. Zwar war man nicht ihrethalben gekommen, aber seinetwegen denn doch. Im Rahmen einer Lesung des Hans Otto Theaters stellte sich der Potsdamer Maler von seiner schreibenden Seite vor. Zwar könne er keine Geschichten ausdenken, sprach der „Delinquent“, als gelte es, zu exekutieren, aber er habe immer auf die Wirklichkeit geschaut, um dieselbe zu reflektieren. Mal mit dem Pinsel, mal mit der Feder, denn „Kunst hat immer das Wort dabei“. So entstanden über die Jahre literarische Gelegenheitsarbeiten, gut lesbar durch die ironische Stimme von Sabine Scholze, ventilierbar durch den sachlichen Ton Peter Paulis, die beiden Sprecher der Matinee. Neben ihnen zierte, auf einer Staffelei, Rohns „Kajakfahrer“ die Bühne, eine kubistisch anmutende Arbeit von 1977 in warmen, lichtgrünen Tönen. Den musikalischen Teil an Klarinette und Saxophon übernahm Friedemann Matzeit, ein Könner der improvisierenden Tonmalerei. Wie nun Sehen und Gesehenwerden der kleinste Nenner dieser Zunft ist, so geht dem Maler doch immer das Auge voran. Auch bei dem, was Rohn „meine kleine Texte“ nennt, „Lebenszeichen“ nach dem Titel dieser Veranstaltung. Er sei während seiner Studienzeit oft in Bertolt Brechts BE gewesen, von ihm habe er das „zugreifende Sehen“ erlernt, mithin die dialektische Methode, die Welt um sich zu reflektieren. Diese Wirklichkeit, so erzählt „Wenn der Hahn kräht“ (November 1989) ironisch, schien den wirklich realen Staatsphilosophen der DDR zur Wendezeit ganz plötzlich verschollen, obgleich sie darauf „Besitzansprüche“ erhoben. Einer von ihnen hiess nämlich Hahn“. Rohn weiss zu erzählen, etwa vom „Einsatz in der Produktion“ unmittelbar nach dem Studium, im Walzwerk Kirchmöser, wo sein Auge „Walzblöcke von wunderbarem Rot“ schaute. Von der lohen Feuerwalze beim Angriff auf Dresden, der ein dichtes Grau auf allem folgte, ein Traum mit bedrückendem Erwachen. Andere Texte berichten, wie er, der „ganz normale Mensch“, seinen Mietsnachbarn den spätaufstehenden Künstler als Boheme vorspielte, während eines Orgelkonzertes die Zeichen der Bäume erkannte, nach Hause eilte, um im tropfenden Nass durch Decke und Dach ganz wunderliche „Wassermusik“ Er schlug sich durch, vor ´89, danach hatte er noch immer nicht „seinen“ Galeristen gefunden, dafür aber eine Lehrstunde der Brechtischen Art: Ein „Hüter der ästhetischen Veröffentlichungshäuser“ in München erklärte ihm beim Vorstellungsgespräch, er brauche seine Mappe gar nicht zu öffnen, wenn ein Etablierter ausfiele, rücke längst ein geeigneter „Sympathisant“ nach. Keine Chance für Peter Rohn, den Freund von „Tiziano“. „Wortlose Erzählung“ war das beste dieses Vormittags. Er erzählt von einem Augenblick beim Baden im Schwielowsee, wo er eine attraktive Frau mit Kind getroffen, nur auf einen Moment, und sich zwang, der FKK-Baderin doch nicht nachzuschauen. Obwohl ihm das Bild sogleich vor Augen stand, hat er es niemals gemalt. So entdeckte er, den Tizian im Kopf, dass „der fast reine Blick auf einen Menschen noch möglich ist. Aber wir sind ihm nicht mehr gewachsen – deshalb das Wort“. Na, wenn das nicht eine Erleuchtung war... Gerold Paul

Gerold Paul

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