Kultur: Kunst wie ein guter Haarschnitt
Mit Arbeiten von Birgit Krenkel stellt sich die Kunstschule Potsdam in der Bibliothek auf dem Telegrafenberg
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Mit Arbeiten von Birgit Krenkel stellt sich die Kunstschule Potsdam in der Bibliothek auf dem Telegrafenberg Mit künstlerischen Arbeiten und deren Ausstellungen ist es wie mit einem guten Haarschnitt. Sind sie da und werden gepflegt, bemerkt man sie kaum, meist nur im Vorübergehen als Begleiterscheinung allgemeinen Wohllebens. Fehlen sie aber, wird dies um so unangenehmer bewusst. Und ihr Verlust wird dann erst recht schmerzlich, weil Abhilfe nicht so schnell zu schaffen ist. Zu solch gearteter, bis zur Unaufdringlichkeit leisen Kunst gehören die Arbeiten Birgit Krenkels. Derzeit stellt die in Marquardt lebende Keramikerin und Zeichnerin Arbeiten auf Papier in der Bibliothek des Wissenschaftsparks „Albert Einstein“ auf dem Telegrafenberg aus. In der Ausstellungsreihe „Die Kunstschule Potsdam stellt sich vor“, von der Kunstschule und der Bibliothek gemeinsam organisiert, ist dies bereits die zwölfte Schau. In zwei- bis viermonatigen Präsentationen auf kleinem, aber nicht ungeeignetem Raum stellten seit Oktober 2001 bereits viele Schüler der Kunstschule, aber auch manche ihre Lehrer schon aus, darunter Monika Olias, Peter Panzner, Peter Bause, Bernd Krenkel und jetzt seine Frau Birgit. Seit inzwischen neun Jahren leitet sie die Keramikkurse an der Kunstschule. 1982 begann sie mit ihren keramischen Arbeiten, in denen sich häufig auch grafische Elemente finden. Seit 1992 arbeitet sie auch auf Papier. Das vom Publikum frequentierte Foyer der Bibliothek bringt es mit sich, dass nur Arbeiten auf Papier gezeigt werden können. Es ist so bedauerlich wie auch verständlich, dass sie nur unter spiegelndem Glas gezeigt werden. So erschließt sich der Reiz der Arbeiten leider erst auf den zweiten Blick. Auch könnte man zweifeln, ob die wenigen Arbeiten überhaupt eine Ausstellung genannt werden können. Doch Roland Bertelmann, Leiter der Bibliothek, bestätigt, dass die durchschnittlich 120 Besucher seines Hauses pro Tag die Objekte sehr wohl als künstlerische Arbeiten wahrnehmen, den Wechsel von einer Ausstellung zur nächsten bemerken und bereits auch Kaufabsichten äußerten. „Kunst gehört in den Alltag“, gibt er sich von dem Projekt überzeugt: „Also auch in eine Bibliothek“. Aus ihren älteren Arbeiten auf Papier hat Birgit Krenkel fünf Beispiele ausgewählt, die den rund 1000 naturwissenschaftlichen Mitarbeitern auf dem Telegrafenberg thematisch nahe stehen. Da wurde im Hochformat „Ackerwinde“ von 1999 die Blätter der Pflanze wie zu einer biologischen Untersuchung nach Größen und Charakteristika in Reihen angeordnet und sind im Umriss wiedergegeben. Der Untergrund aus zusammengefügten Seiden- und Silberpapieren sorgt für eine archaische Stimmung. Die zuletzt über die Acrylfarbe gestreute feine Asche steigert den optischen Reiz und verrätselt die Blätterreihen ins Geheimnisvolle. Nach wissenschaftlicher Sammlertätigkeit sieht auch „Freitag“ von 1998 aus, nebeneinander gelegte Kalenderblätter, hell auf dunklem Untergrund, vielleicht als Erinnerung der Vergänglichkeit mit Asche überstäubt. Offensichtlich übte dies symbolträchtige Abfallprodukt einen starken Reiz auf Krenkel aus, denn im „Januar“ finden sich Quadrate verschiedener Papiere, mit Farbe übergangen und von Tannennadeln bestreut, wieder von einer feinen Schicht überzogen. Die derart zugedeckten Strukturen werden in der einheitlichen Färbung einander angeglichen, im flachen Relief aber um so erfahrbarer. Wie an ihren Keramiken zeigt sich, dass Krenkel nicht nur eine Form sucht – und findet –, sondern stets auch die Stofflichkeit der verwendeten Materialien herausstreicht. Den Wissenschaftlern der drei an der Bibliothek beteiligten Institute für Geo-, Klimafolgen- wie Polar- und Meeresforschung vielleicht am nächsten sind die ältesten Arbeiten Krenkels. Einige Vernissagengäste erkannten in „Kreis 1 + 2“ von 1996 kein zwei-, sondern ein dreidimensionales Objekt, sahen in den jeweils vier gleichen Kreissegmenten einen Globus, vielleicht auch, weil die Kreisfläche ihrerseits mit der vielfach wiederholten Umzeichnung eines gebogenen Kurvenlineals gefüllt ist. Ist da keine Nähe zur Selbstreflexion der Wissenschaft? Erkennt sie nicht zuweilen, dass das, was den Forschungsgegenstand im Innersten zusammenhält, sich meist schon an Phänomen auf der Oberfläche zeigt? Genau so verhalten sich die verschiedenen Kurven zu der sie umschließenden Kreiskurve. Es ist nicht auszuschließen, dass die Wissenschaftler des Telegrafenbergs zu dieser Einsicht kommen. Vielleicht vergessen sie vor den ausgestellten Objekte für einen entspannenden Moment auch nur ihre eigene Arbeit. Ist Kunst doch etwas Angenehmes. Wie ein guter Haarschnitt. Götz J. Pfeiffer Bis 31. März im Foyer der Bibliothek des Wissenschaftsparks „Albert Einstein“, Telegrafenberg A 17. Internet-Präsenz der Bibliothek: www.gfz-potsdam.de/bib
Götz J. Pfeiffer
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