Kultur: Kurz und knackig: The Enemy
Für drei Minuten gönnen The Enemy dem Verzerrer und den Ohren der Zuhörer eine Verschnaufpause: „We''ll live and die in these towns“ heißt das Stück, das etwa zur Halbzeit ihres 45-minütigen Kurzauftritts in den Fritzstudios erklingt: „Wir leben und sterben in diesen Städten“ singt Tom Clarke und seine Stirn legt sich dabei in zornige Falten. „Don''t let it drag you down“, fügt er nölend hinzu.
Stand:
Für drei Minuten gönnen The Enemy dem Verzerrer und den Ohren der Zuhörer eine Verschnaufpause: „We''ll live and die in these towns“ heißt das Stück, das etwa zur Halbzeit ihres 45-minütigen Kurzauftritts in den Fritzstudios erklingt: „Wir leben und sterben in diesen Städten“ singt Tom Clarke und seine Stirn legt sich dabei in zornige Falten. „Don''t let it drag you down“, fügt er nölend hinzu.
Die drei Jungs aus dem englischen Coventry lassen sich nicht runterziehen. Coventrys größter Exportschlager, The Specials, schrieben einen ihrer größten Hits, „Ghost Town“, über die Stadt. Ein düsteres Bild: eine Geisterstadt, alle Clubs geschlossen, keine Arbeit, die Regierung lässt die Jugendlichen hängen – das Motto der Punkbewegung „No Future“ hat hier seine Widerhaken tief in den bröckelnden Asphalt gerammt.
Das Aufwachsen in einer post-industriellen Stadt der Brachen muss zu einem Stau an Frustrationen führen. Doch Tom Clarke, Liam Watts und Andy Hopkins wollen hier weder leben noch sterben. Deshalb schreien sie es laut hinaus – und im Falle des Konzerts bei Fritz heißt das wirklich sehr laut: „Away from here!“ – Nur weg von hier, in die weite Welt und da man diesen Traum in einer Band konstruktiver verfolgen kann, wurde aus drei 19-Jährigen im letzten Jahr The Enemy.
Dank meinungsbildender Medien wie dem „New Musical Express“ fegte das Album „We''ll live and die in“these towns“ eine Woche nach Veröffentlichung die Chemical Brothers von der Spitze der UK-Charts.
Bei Fritz schmettern sie das Album in einem röhrenden Rausch von sich in die Gesichter der verblüfften Zuschauer. Man hat Angst, der Sänger wird vom dröhnenden Schlagzeug hinter ihm gleich weggerissen. Doch während Kollege Hopkins zappelig am Bass pumpt, bleibt Clarke standhaft am Zetern: „I''m so sick, sick, sick and tired / of working just to be retired / I don''t want to get that far / I don''t want your company car“. Party-Mucke ist das nicht, auch wenn die Beats verdammt einladend nach vorne gehen. The Enemy wollen den emotionalen Status Quo ihrer Altersgruppe vermitteln und wenigstens versuchen, der neuen „Lost Generation“ Sinn zu stiften.
Das Ergebnis ist dann aber vielmehr eine psychologische Selbstreinigung, dessen lukrativer Nebeneffekt begeisterte Reaktionen bei Publikum und Presse sind. Ihre ärgerlich-trampelnde Musik besteht dabei aus Versatzstücken von älteren Helden wie The Jam und Oasis und neueren Vorbildern wie The Killers oder Kaiser Chiefs. Doch wie lange reicht der Frust als Treibstoff für diesen hochtourigen Motor. Vielleicht präsentieren sich The Enemy auf dem nächsten Album schon als „arty-farty“ London-Styler, die über Frauen im Schickimicki-Club sing-säuseln.
Als die letzte Rückkopplung durch die Boxen quietscht und die hundert Zuschauer dem vorangehenden Krach wenigstens ansatzweise Konkurrenz zu machen versuchen, huscht doch ein kurzes Lächeln über Clarkes Gesicht.
Dann aber wieder: bitte recht ernst und auf ein (hoffentlich längeres) Wiedersehen bei der Tour im November.
Christoph Henkel
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: