Kultur: Kuschelecke
Orgelsommer-Konzert mit Maurice Clerc
Stand:
„Werde munter, mein Gemüthe“ – dieser Bachschen Choralaufforderung aus der Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ BWV 147 hätte es nicht unbedingt bedurft, um dem Programm des französischen Organisten Maurice Clerc bei seinem Orgelsommer-Auftritt die ungetrübte Aufmerksamkeit zu sichern. Der ungewöhnliche Mix aus Populärem, Raritätischem und Originellem machte bereits von der „Papierform“ her neugierig und hielt die Zuhörer schon deshalb putzmunter. Der als Hauptorganist der Kathedrale Saint-Bénigne in Dijon wirkende Kirchenmusiker setzte für seine Auswahl auf das unterhaltsame Element. Grüblerisches Versenken war seine Sache nicht.
Die Reise durch Musikepochen begann mit „Cinq danceries de la Renaissance“ von Claude Gervaise (16. Jh.), wobei der erste Tanz durch die Wahl des schnarrenden Trompetenregisters aufhorchen ließ. Auch in den weiteren Hopsereien suchte der Organist den Klang alter Instrumente wie Krummhorn, Zink oder Dulcian nachzuahmen. So entstanden beherzt gespielte, aparte Klangbilder. Von einer gewissen Bewegtheit und inneren Fröhlichkeit erfüllt, breitete sich das von Luciano Celeghini für Orgel transkribierte Adagio aus dem a-Moll-Concerto von Benedetto Marcello (1686-1739) aus. Im Trioteil waren liebliche gegen scharfe Stimmen gesetzt, ein reizvoller Kontrast. Auf den setzte Clerc auch in Dietrich Buxtehudes prächtiger Trias von Präludium, Fuge und Ciacona C-Dur, die sich mit einem kräftigen Pedalsolo effektvoll eröffnet. Abwechslungsreiches Registrieren erzeugte ein festliches Gepränge. Spätestens hier dürfte das „Gemüthe“ munter geworden sein, das sich dann lieblich, in gedeckten Farben und leicht bewegt vernehmen ließ.
Mit schneidender Direktheit ging der Organist bei Bachs Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 zu Werke, wobei er erstere als schnell genommenen Bravourhit spielte, prinzipalkräftig und aufgewühlt wie ein Klangmeer. Die Fuge zeigte sich in schöner Leichtigkeit vor: in den Diskantstimmen wie ein munter sprudelndes Quellwasser, später als breiter Strom wie über Stromschnellen hüpfend. Schöne Grüße von der Moldau. Um die orchestralen Möglichkeiten der Woehl-Orgel gebührlich ausstellen zu können, spielte der Organist das von ihm bearbeitete Finale aus Verdis Oper „Don Carlos“ mit aller operntheatralischer Hingabe. Ein wahrlich ungewöhnlicher Beitrag. Als solcher entpuppte sich auch die „Dolly“-Suite von Gabriel Fauré (1845-1924), original für zwei Klaviere, dann von Henri Rabaud orchestral bearbeitet, schließlich von Maurice Clerc für die „Königin“ umfrisiert. Viele Köche, die sich um die Verbreitung der komponierten Erlebnisse von Debussys Stieftochter Dolly mit ihrer Katze bemühten. In sechs Sätzen wird geschmust, geschlafen und getanzt, wobei das französische Manual der Orgel sich als herrliche „Kuschelecke“ entpuppte.
Danach konnte man bei der „Berceuse improvisée“ von Pierre Cocherau (1924-1984) manchen zuvor gehörten trivialen Einfall vergessen. Verinnerlicht kam das Stück daher, das vom Kontrast des Pedals mit der Diskantstimme und der sich zum Crescendo/Decrescendo vollziehenden Entwicklung lebt. Das mit Akkordkaskaden nicht geizende „Te Deum“ von Jean Langlais (1907-1991) sorgte für ein hymnisches Finale. Peter Buske
Peter Buske
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