Kultur: Kussechte Verführung
Filmlivekonzert „Ich küsse ihre Hand, Madame“ mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg
Stand:
Filmlivekonzert „Ich küsse ihre Hand, Madame“ mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg Von Babette Kaiserkern Dass zum Küssen Geigenmusik gehört, steht für das Deutsche Filmorchester Babelsberg außer Zweifel. Schließlich heißt das Motto des standhaften Orchesters: „Ohne Geigen küsst man nicht“. Zumindest unter diesem Aspekt erscheint es zwingend notwendig, den Stummfilm „Ich küsse ihre Hand, Madame“ als Filmlivekonzert neu herauszubringen. Doch dem Publikum im Nikolaisaal in Potsdam wurde weit mehr geboten als steife Stummfilmküsse und süffige Streicherklänge. Der 1929 in Berlin uraufgeführte Film gilt zwar nicht gerade als cineastisches Kleinod, besitzt aber zwei Dinge von beträchtlichem Schau- und Hörwert. Die junge Marlene Dietrich erscheint darin erstmals in der Rolle, die ihr zukünftiges Leinwandimage prägen sollte. Und der gefeierte Tenor Richard Tauber ließ es sich nicht nehmen, dem mindestens ebenso angehimmelten Schauspieler Harry Liedtke für die legendäre Tonfilmsequenz des Films – eine der frühesten überhaupt – seine Stimme zu leihen. Eigentlich ist der ganze Film, wie bereits ein Premierenkritiker bemerkte, rund um Harry Liedtke und das Lied „Ich küsse ihre Hand, Madame“ gedreht worden, das schon vor dem Film ein Hit war. Der Name des Regisseurs und Autors Richard Land ist hingegen heute völlig vergessen. In diesem Film hat er eine handwerklich solide, technisch auf der Höhe stehende Arbeit ohne filmästhetische Extravaganzen geliefert. Die Hauptpersonen der simplen Story definieren sich über ihre geschlechtliche Anziehungskraft, wobei die Frau zur erotischen Verführerin wird, die sich vom Mann durchaus schon mal „bedienen“ lässt, wenn sie es sich wie die frisch geschiedene Laurence leisten kann . Leider muss der attraktive russische Graf und Oberst seit seiner Exilierung als Kellner arbeiten. Doch als die Richtigkeit des Adelstitels erwiesen ist, steht einer frivolen Affäre nichts mehr im Wege. Zwar muss noch der Widerstand des verkannten und geschlagenen Adeligen besiegt werden, was aber kein wirkliches Problem für eine Frau mit dem erotischen Kaliber der Dietrich darstellt. Zumal der Graf nobel verzeiht und sich dem Eros ergibt. Das Deutsche Filmorchester Babelsberg spielte eine dazu passende schwungvoll-schwüle Musikkompilation von Helmut Imig, der auch selbst dirigierte. Er hat einen mitreißenden Soundtrack gebastelt, der sich souverän über alle Gattungen hinwegsetzt. Der Titelsong erklingt als elegantes Violinsolo im Bossa-Nova-Rhythmus, zur Schminkszene im Boudoir tönen Paraphrasen nach Puccini und Saint-Saens, wenn der Champagner fließt, hören wir Akkordeon – man ist in Paris –, dramatische Wendungen werden mit Tschaikowsky ausgeschmückt. Foxtrott, Swing, Walzer und Musette untermalen das ausgelassene Ambiente trefflich. Das Filmorchester folgte den filmischen Rhythmen von Montage und Kameraführung präzise, so etwa bei der Treppensequenz mit den Füßen in Großaufnahme und der flotten Fahrstuhlszene. Ohne den leidigen Standesdünkel hätte es sicher schon früher ein von Violinen begleitetes kussechtes Happy End im Fahrstuhl gegeben. Doch dann hätte der filmisch-musikalische Spaß gefehlt. Besser als Filmküsse mit der musikalischen Untermalung des Filmorchesters Babelsberg können doch eigentlich nur echte Küsse sein.
Babette Kaiserkern
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: