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Kultur: Labsal für die Seele

Singakademie mit Bachs „Weihnachtsoratorium“ im Nikolaisaal

Stand:

Bei Rockkonzerten ist es üblich, dass eine „Vorband“ die Stimmung auf die annoncierte Topband kräftig anzuheizen hat. Wie schön, dass der Singakademie Potsdam mit ihrem Kinder- und Jugendchor sowie dem Jugendkammerchor Teilensembles zur Verfügung stehen, die solche Aufgaben übernehmen können, ehe der große Chor in Erscheinung tritt.

So erneut geschehen bei ihrem Nikolaisaal-Auftritt mit den drei ersten Kantaten aus Bachs „Weihnachtsoratorium“ BWV 248. Sangen die Nachwuchschöre im zurückliegenden Jahr im großen Saal als „Vorband“ ein längeres Programm, so schrumpfte ihr Auftritt, diesmal ins Foyer verbannt, auf schlappe neun (!) Minuten.

Mit a cappella vorgetragenen Weihnachtsliedern suchten sie die Geräuschkulisse von Gesprächen an Stehtischen und der Garderobe zu übertönen, meistens vergeblich. Einige Aufmerksamkeit er(s)zwangen sie sich mit dem Galopp „En traineau““, einem klavierbegleiteten Souvenir de St. Petersburg aus der Feder von Richard Eilenberg – besser bekannt als „Petersburger Schlittenfahrt“.

Dass man die jungen Sängerinnen und Sänger so unter Wert präsentierte, verstehe wer will. Ein guter Dienst war“s nicht, was ihnen da angetan wurde.

Im Saal dann übernahm Chordirektor Edgar Hykel das Sagen. Aus dem hürdenreichen, nicht gerade glanzvollen Auftritt des vergangenen Jahres hatte er Schlussfolgerungen gezogen. Damals wie heute begleitete das Neue Kammerorchester Potsdam, deren Musiker ganz auf den schlanken, warm getönten, stilkundig ausgeführten, in (Zeit-)Maßen bewegten und transparenten Klang setzten. Sehr geschmeidig und leicht wiegend im Siciliano-Rhythmus klang die Hirtenmusik (Einleitung zur Kantate II) vorüber – einfach schön. Die Soloarien wurden von einzelnen Instrumente (Flöte, Trompete, Oboe d“amore, Violine) glanzvoll und detailreich umspielt. Kurzum: legatogeprägte Ebenmäßigkeit, wohin man hörte.

Brillant glänzten die Trompeten, frohlockten und jauchzten die Stimmen im bekannten Eingangschor. Die Dynamik hielt sich in den ihnen auferlegten Grenzen, Überakzentuierungen blieben aus. Ausgeglichen und erhaben waren ebenfalls die betrachtenden Choräle angestimmt – Labsal für die Seele.

Nach anfänglichen Problemen mit seinem nicht mehr glanzvollen und sattelfesten Tenor fand Reinhart Ginzel für den Evangelistenbericht doch noch zu jener einprägsamen Gestaltung der Rezitative, wie man sie sich von ihm erwarten konnte. Ganz auf artikulatorische Sicherheit bedacht, stimmte er die „Frohe Hirten“-Arie sehr routiniert, ohne innere Begeisterung und wenig eilend an. Als Bariton die Basspartie zu gestalten, bringt immer gewisse Probleme mit sich.

Als stimmliches Leichtgewicht blieb auch Dirk-Ulf Mädler nicht frei davon. Beweglich sang er die Arie „Großer Herr und starker König“, stimmte kraftvoll-erfahren die Rezitative an, fand mit der Sopranlyrikerin Iris Werner (die auch liebreizend die Engelsbotschaft verkündete) im Duett „Herr, den Mitleid“ zu empfindungsvollem Miteinander.

Für den stimmlichen Glanz des Abends jedoch sorgte die Altistin Marina Prudenskaja, die anteilnehmend, leidenschaftsbewegt, total von mütterlichem Stolz erfüllt die drei Arien („Bereite dich Zion“, „Schlafe, mein Liebster“, „Schließe mein Herze“) anstimmte.

Zum Schluss traten die Solisten an die Seite des Chores, sangen dessen erneutes festliches (Final-)Bekenntnis „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“ mit und unterstützen auf ihre Weise „der Herzen frohlockendes Preisen“. Alle Beteiligten wurden gleich einer Rockband ausgiebig gefeiert.

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