Von Lore Bardens: Lachen ist eine Kunst
Heiter-nachdenkliche Frühjahrsausstellung im Kunstkontor von Friederike Sehmsorf
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Wir Deutschen sind dafür berüchtigt, wenig Humor zu besitzen. Wenn nun gerade in Krisenzeiten das Kunstkontor die Saison mit einer Ausstellung zum „Lachen“ eröffnet, dann kann das programmatische Wirkung haben. Vielleicht sollen wir lernen, den lauen Frühling ernst zu nehmen und zur Heiterkeit zu finden. Lachen, sagte Henri Bergson in seinem 1914 erschienenen Essay „Le rire“ (das Lachen), sei eine wichtige soziale Geste.
„Was gibt es denn da zu lachen?“ wäre eine denkbare Frage beim Anblick von Peer Oliver Naus Hitlerkopf „... und das ist für Opa“, geschnitzt und grob gehauen schaut er schräg zur Seite, als habe man ihm kurz mal eins draufgegeben. Darüber haben sich, so wurde berichtet, die Vernissage-Gäste am meisten echauffiert, manche haben gelacht, andere fanden, dass dieser Witz zu weit ginge. Und schon ist die Grenze des Lachens ins Zentrum des Interesses gerückt: worüber dürfen wir, gerade wir Deutschen, lachen – und was sollten wir aus Scham und Schuld nicht der Verharmlosung anheim geben? Am Hitlerkopf jedenfalls scheiden sich die Geister, und das ist ein Verdienst dieser Frühjahrsausstellung bei Friederike Sehmsdorf..
Das Konzept der Schau, die fünf Künstler präsentiert, ist recht uneinheitlich - und so muss man bei einigen Exponaten das Lachen beziehungsweise den Anlass, den Bild oder Skulptur dafür geben könnten, suchen. Einfach erscheint es bei den Arbeiten von Steffen Mühle, die wir zwar schon einmal gesehen haben, aber noch nie in der Bertinistraße. Da schauen von zwei Fotocollagen Jungs heraus und grinsen breit. Der eine ist schwarzhäutig, der andere weiß, beide eint die stolze Männergeste eines überheblichen Lächelns, das sie ihrer Eroberung, der Zigarette, verdanken. „Große Freiheit 1 und 2“ nennt Mühle dieses Imponiergehabe, und hier schneidet sich das milde Betrachterlächeln mit dem so ganz anders gearteten der jungen Männer. Bei Herrmann Lüddeckes „Schneewittchens Rauchsalon“ oder „Galapagos-Rodeo“ handelt es sich eher um ein grimassierendes Lachen, das den feisten Gesichtern der Männer entspringt, die wohl in den dicken Frauen ihr Opfer sehen, dabei aber ganz klein sind und die Zigarette benötigen, um sich an ihr – wie die Jungs von Mühle – festzuhalten. Die Zigarette scheint in dieser Ausstellung sowieso ein Accessoire des Lächerlichen zu sein, trägt doch die überlebensgroße Frau draußen auf dem Rasen („Frühjahrsputz“) ihre Lockenwickler auf dem Haupt, den Staubsauger in der Hand und den abgesägten Kopf ihres Gatten in der anderen – die Zigarette steckt ihr als Triumphkippe zwischen den Lippen. Peer Oliver Nau scheint sich dem deutlichen Humor hinzugeben, der bei einigen Exponaten durchaus zweifelhaft ist: Da hebt das „Donnerstags“-Mädchen kokett sein rotes Kleidchen über den Kopf und entblößt einen Slip mit dem Schriftzug Donnerstag und aufgemaltem Herzchen. Nun denn, wenn das ein Anlass zum Lachen sein soll, gehen die Feministinnen schnell in die Abteilung von Julia Theek. Auf deren Air-Brush-Arbeiten schweben die Potsdam-Motive durch die güldene Luft, ohne dass das komisch wäre, aber da steht ein Schuh aus vermeintlichen Perlen: „Mother''s little helper“ ist das Werk nach dem Stones-Song benannt, und die Deko auf dem Schuhwerk entpuppt sich als Psychopharmaka-Pillen. Darüber können wohl nur die Frauen lachen, die selbst von der Psychodroge freigekommen sind. Erhaben kommen dagegen die Arbeiten von Nicolaus daher. „Sie wollen nur lachen“ zeigt die gesamte Ernsthaftigkeit, die dem Humor vorausgeht: Sittsam lächelt das Mädchen an ihrem baumelnden Angel-Herzchen und dem Pekinesen vorbei, die Mutter daneben hat ihre Hände auf den griechischen Gott gestützt, um dem Mädchen beim Spiel zuzuschauen. Humor ist ein schweres Geschäft und, wie diese Ausstellung lehrt, wenn man trotzdem lacht.
Bis 3. Mai, Kunstkontor Sehmsdorf, Bertinistraße 16B, Di/Mi 15-19 Uhr, Do 15-22 Uhr, Sa 13-18 Uhr
Lore Bardens
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