Kultur: Ladies Lunch on Tour
Die Böll-Stiftung lud ein, doch die Türen waren geschlossen – „Frau“ ergriff Antifrustprogramm
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Die Böll-Stiftung lud ein, doch die Türen waren geschlossen – „Frau“ ergriff Antifrustprogramm Von Barbara Wiesener „Ladies Lunch on Tour - Wirtschaftsförderpolitik mal anders: klein - flexibel - weiblich?“ So hieß der etwas geheimnisvolle Titel der Veranstaltung, zu der die Böll-Stiftung im Luisenforum einlud. Da ich wenig klein, etwas flexibel und in gewissem Sinn auch weiblich bin, fühlte ich mich eingeladen. Ein längeres Telefongespräch mit einem meiner Kinder verhinderte allerdings mein pünktliches Erscheinen um 18 Uhr. So stand ich erst gegen 18.20 Uhr erwartungsvoll vor der Tür des Luisenforums. Offensichtlich war das Thema „Ladies on Tour“ ganz wörtlich gemeint, denn anstelle einer einladenden hellen Pforte präsentierte sich mir und drei weiteren weiblichen Wesen fest verschlossene Dunkelheit. Zunächst wurde sehr „weiblich“ geschimpft. Doch dann zeigte sich jene bewährte und soeben thematisierte Flexibilität. „Frau“ entschied sich für ein Antifrustprogramm und lud sich gegenseitig zu Wein und Bier im kleinen Café nebenan ein. Schnell erzählte „Frau“ sich Lebengeschichten. Mir gegenüber saß die Ressortleiterin der Abteilung Politik und Planung von VERDI. Sie erzählte von ihrem Biologie- und Philosophiestudium in Tübingen, der späteren Gewerkschaftsfunktion bei der BASF und der kürzlichen Übersiedlung zum Potsdamer Platz in Berlin. Von dem Hinüber und Herüber einer Wochenendehe in Stuttgart. Meine Nachbarin zur Linken ist 1995 mit der Familie von Freiburg nach Oranienburg gezogen, wo sie als Kreissprecherin der Grünen und als Stadtverordnete tätig ist. Soeben habe sie ein Haus in der Kolonie Eden erworben. In dem sanierungsbedürftigen Haus soll nun auch die Graphikwerkstatt untergebracht werden. Auch wird daran gearbeitet, den alten Gedanken der Kolonie Eden wieder zu beleben. Für gerechtere Besteuerung Meine Nachbarin zur Rechten, aus Berlin-Lichterfelde kommend, begrüßte den Kandidatenvorschlag ihrer Partei für das Amt des Bundespräsidenten. Vielleicht wäre Gesine Schwan nun endlich eine aussichtsreiche Kandidatin. Zumal man doch einen erfolgreichen Chef des Internationalen Währungsfonds, um Himmelswillen, von seiner wichtigen Position nicht entfernen sollte. Vom Internationalen Währungsfond war der gedankliche Weg zur Schuldenlast der Bundesregierung kurz. Ob nicht doch die Tobinsteuer eine Chance hätte? Im internationalen Rahmen? Auf jeden Fall, so meinte „Frau“, sollten Besteuerungsprogramme gerechter angesetzt werden und alle betreffen. Als verantwortungsvolle Mütter von heranwachsenden Jugendlichen empfanden alle vier Frauen Regierungen, die immer über ihre Verhältnisse bilanzierten, planten und lebten als ethisch fragwürdig. Für die junge Generation nun ganz und gar nicht beispielgebend. Überhaupt. Woher sollten Leitbilder herkommen im lauten Mediengeklapper? Die wirklichen Leitbilder, so einigte sich das vierblättrige Kleeblatt am Cafehaustisch, seien leise und unspektakulär: möglicherweise „klein“ - „flexibel“ und „weiblich“.
Barbara Wiesener
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