Kultur: Langweilig
Orgelsommer mit Matthias Dreißig
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In diesem Orgelsommer-Jahr passen Johann Sebastian Bach und Dietrich Buxtehude vorzüglich zusammen. Erstens, weil jener zu diesem nach Lübeck pilgerte und zweitens wir uns an den 300. Todestag von letzterem erinnern. Doch passen deren barocke Werke auch zur Woehl-Orgel in der Friedenskirche, auf der im Rahmen des Königinnen-Festivals bislang hauptsächlich Französisches erklang? Davon wollte uns Kirchenmusikdirektor Matthias Dreißig, Organist der Predigerkirche zu Erfurt, mit seinem stilistisch breiten Programm überzeugen. Zunächst mit Worten (zu Komponisten und Werken, nicht zur zwingenden Notwendigkeit für diese Zusammenstellung), dann mit Taten.
Pedalwuchtig heben Bachs Praeludium und Fuge c-Moll BWV 546 an. Da hat es die Diskantmelodie schwer, sich deutlich vernehmen zu können. Erhaben und zu kompakt tönt es im durchweg vollen Orgelwerk. Der romantische Farbanstrich lässt sich auch bei der Fuge nicht leugnen, die im gleichmäßigen Metrum vorgeführt wird. Die Oberstimme ist deutlich vom Pedal abgehoben, sodass sich die kontrapunktischen Verflechtungen gut verfolgen lassen. Allmählich treten kräftige Prinzipalstimmen hinzu. Danach geht“s auf in den Norden zu Buxtehude und seiner d-Moll-Passacaglia. Die hatte acht Tage zuvor Thiemo Janssen/Norden an der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche in voneinander getrennten Klangblöcken und mit Einsatz des 8-Fuß-Prinzipals zu Gehör gebracht. Matthias Dreißig dagegen setzt auf Zungenstimmenweiches und Schwebendes. Ruhig, fast intim wirkend und ganz auf Verinnerlichung ausgerichtet hören sich ihre Ecksätze an, die einen dramatischen, schnarrend registrierten Mittelteil umschließen. Als Dritter im Barockbunde erklingt von Johann Pachelbel der Orgelchoral über „Vater unser im Himmelreich“ in fast gleicher Registrierung wie die Buxtehudesche Passacaglia: gefällig, freundlich und getragen. Viel Gleichförmiges gibt es aus dieser Epoche zu hören – da ist Langeweile nicht weit.
Von Bach-Verehrer Felix Mendelssohn Bartholdy spielt Dreißig keine der sonst üblichen Orgelsonaten, sondern das nach Bachschem Vorbild verfertigte Praeludium und Fuge c-Moll op. 37/I. Deren Oberstimmenmelodik breitet sich festlich aus, die Fuge in beschwingter Haltung. Mit den reizvoll-romantischen Registrierungsmöglichkeiten der Woehl-Orgel schneidert der Organist der Einleitung zum Oratorium „Die Legende von der Heiligen Elisabeth“ von Franz Liszt ein Klanggewand von zunehmend sinfonischem Zuschnitt. Es beginnt singend, diskantzart und wie hinter einem Vorhang (Jalousieschweller). Dann wird er quasi weggezogen, sodass schwebungsreiche und zungenstimmenliebliche, allmählich sich steigernde Klänge in vergleichsweiser Klarheit den Raum erfüllen. Trompete, Prinzipale und am Rande des Hörbaren orgelnde Pedalbässe sorgen für erhebende Stimmungen.
In die Vollen geht“s abschließend bei Max Regers Phantasie über den Choral „Straf mich nicht in deinem Zorn“ op. 40 Nr. 2, wo sich zu Beginn chromatische Blöcke (Symbol von Gottes Zorn) lauthals aufschichten. Sanft hören sich diesbezügliche Bitten an. Zwischen beiden herrscht ein steter Wechsel: da endlich kommt Spannung auf, wenngleich nur äußerlich. Das Besänftigende gewinnt die Oberhand, mit allen bereits erwähnten Nebenwirkungen. Majestätisch. Im organo pleno endet die sinfonische Dichtung über die letztlich erfolgreiche Bitte um Strafverschonung.Peter Buske
Peter Buske
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