Kultur: Lasst doch bitte diesen billigen Budenzauber!
Vielleicht waren die Erwartungen zu groß. Es war ja von Vertiefung und Erweiterung die Rede, von einer kunstvollen Ausleuchtung der Bühne und von Bildern vom Weltraumteleskop Hubble.
Stand:
Vielleicht waren die Erwartungen zu groß. Es war ja von Vertiefung und Erweiterung die Rede, von einer kunstvollen Ausleuchtung der Bühne und von Bildern vom Weltraumteleskop Hubble. Für ihr Saisoneröffnunskonzert am Freitag im Nikolaisaal hatte die Kammerakademie Potsdam Joseph Haydns „Die Schöpfung“ ausgewählt. Als besonderes Schmankerl dazu besagte kunstvolle Ausleuchtung und Bilder aus dem Weltall.
Zu sehen waren dann die Standardweltraumbilder, die jeder in einem neu gekauften Computer als Angebote für den Desktophintergrund oder als Bildschirmschoner findet. Nur sind diese Bilder am Computer schön anzuschauen, weil sie nicht in dieser ärgerlich-groben Auflösung wie im Nikolaisaal daherkommen. Was die kunstvolle Ausleuchtung betraf, die blieb rätselhaft. Mal ein wenig Farbigkeit, mal wurde es etwas heller, dann wieder ein wenig dunkler. Als sich dann die göttliche Lichtschaffung in Haydns „Schöpfung“ näherte, wurden leichte Verkrampfungen spürbar. Bitte nicht! Bitte nicht! So flüsterte eine innere Stimme. Aber doch: Als das Licht ward, wurde es hell im Nikolaisaal. So, als hätte da mal einer kurz den Hauptschalter gedrückt. Was soll denn dieser billige Budenzauber?
Nun könnte man natürlich anführen, dass die Bilder und das Lichtgestümper nur ein Angebot an den Konzertbesucher waren. Wem das nicht gefiel, der konnte die Augen schließen. Ja, wenn einer Musik hören und dabei die Augen schließen will, dann setzt er sich daheim die Kopfhörer auf und lauscht seiner Referenzaufnahme. Wer ins Konzert geht, will erleben, wie die Musik entsteht. Er will den Dirigenten und die Musiker, er will die Sänger und den Chor sehen. Er will erleben, wie die sich auf der Bühne abmühen, wie sie ringen und kämpfen und diese auf Papier geschriebenen Noten im Zusammenspiel zu etwas ganz Besonderem machen, das einen berührt und tief bewegt. Und manchmal, in diesen Momenten, schließt man als Konzertbesucher die Augen, weil man diesen Glücksmoment auskosten möchte.
Die Kammerakademie und ihr Dirigent Manacorda, die Solisten und der Chor boten all das. Und auch wenn man mit ihrer Interpretation nicht immer einverstanden war, der Glücksmomente gab es zahlreiche. Fast schon nebenbei, mit anspruchsvoller Selbstverständlichkeit zeigten die Musiker bei ihrem Auftritt, dass Haydns „Schöpfung“ auf Licht und Bilder verzichten kann. Denn das ist alles in dieser Musik enthalten. Herrlichst ausgeleuchtet und voll der schönsten Bilder.
Doch über allem prangte übertrieben dieser stümperhafte Bilderreigen, an den Seiten auch noch ergänzt um Textzitate aus der „Schöpfung“. Vielleicht für die, die den deutschen Text nicht verstanden? Ach, was wäre das für ein wunderbarer Abend geworden, wenn sich die Kammerakademie allein auf das Wesentliche, die Musik, beschränkt hätte.
KOMMENTAR von Dirk Becker
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: