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Arne Hajek malte im Pavillon während der Finissage Sinfonien.

©  Manfred Thomas

Kultur: Latenz, so weit das Auge reicht

Der Potsdamer Künstler Arne Hajek malte im Pavillon auf der Freundschaftsinsel eine „Sinfonie“

Stand:

Bildende Künstler versuchen ja immer, sich ein Bild von dem zu machen, was sie erreicht und umgibt. Und dies soll – für andere – selbstverständlich auch „bildend“ sein. An dem Potsdamer Maler Arne Hajek aber müssen alle verzweifeln, die feste Ansicht haben von Kunst, von sich selbst, von der Welt und vom Proporz dazwischen. Alles ist da, nichts aber ist deutlich genug, um es in einer mehr geahnten als geschauten Form auszudrücken, die Vogelschau sein kann, verschwommene Mystik oder ein Bild, welches ein Bild jetzt nicht mehr ist, oder sein darf, und gerade deshalb zum Bild wird.

Kurz, was da auf der selbstgebauten Wand im Pavillon auf der Freundschaftsinsel in 50 sonatinen Varianten bis gestern zu sehen war und in einem finissagen Werk ebenerdig-symphonisch enden wollte, ist gespeicherte Lebenserfahrung des fast Fünfzigjährigen aus 17Arbeitsjahren.

Ein Erlebnis hatte ihn früh geprägt: Als Knabe suchte er ohne Hilfe an einem Klavier nach den Harmonien, und fand sie auch, dann schenkte man ihm ein eigenes Instrument nebst Klavierunterricht – fort war alle Intention! Und so ging das weiter: Zuerst der ordentliche Beruf, ein kurzer Ausflug zum Dokfilm, szenografisches Arbeiten für Heiner Müller und Ruth Berghaus, Studium der Theaterregie, dann der Architektur.

In all den Jahren habe er eigentlich immer gemalt, und auch verkaufen können: an Heiner Müller oder den Kunstsammler Würth. Jenes Werk, das er zu Beginn seiner Ausstellung vor einem Monat begann und dessen Vollendung man dieser Tage erwartete, will nun gleichsam die symphonische Summe aus all den Sonaten ziehen. Eine gewisse Denk- oder Empfindungsnähe zu Kurt Schwitters ist unübersehbar. Bilder-Mauer („Skulptur“) und das noch unvollendete Werk am Boden waren also eine Performance. Die fast 2000 Besucher, so Arne Hajek, erkannten das.

Man traf ihn beim Anrühren, reine Farben, Acryl, die er mit einer kleinen Gießkanne über die etwa sechs Quadratmeter große Leinwand goss. „Dies sind die Kanäle“, erklärte er, wobei er unter „Symphonie“ mehr etwas Zusammengesetztes als den musikalischen Terminus verstand. Weil so viel noch nicht zu sehen war, redete man über Welten und Kunst, über seine Kunstwelten. Ist ihm seine „Latente Kunst“ von Augenblick zu Augenblick auch sehr wichtig, so gehen ihm „Menschen doch vor“, die weithin offenen Türen des Pavillons zeigten auch das. Er drückt seine Eindrücke von der Welt in dick gespachtelten Farbschichten aus, die Form und Inhalt spielen, Ausdruck und Eindruck sind, Empfindung und Vorstellung, Latenz und Wahrheit, Bild und Nichtbild, Fläche und Raum, alles in Öl. Kraft ist darinnen. So wie er etwa sein Capri malte, hat es noch keiner getan. Er wolle zwar keine Modelle schaffen, trotzdem sucht man im Plattner-Institut darin Hilfen für ihre Forschung.

Möglicherweise hat Hajek tatsächlich gewisse Urformen (manche nennen das Chaos) des Universums entdeckt, das übliche Oben-und-Unten scheinbar verleugnend. Vielleicht könnte man das „reine Kunst“ nennen, vielleicht spotten diese Werke auch allen, die feste Vorstellungen haben von „Bildern“, die Welt sind, Nichtbilder also.

Sein Denken ist eher mathematisch-physikalisch, seine Künstlerhand wie Ernst Bloch und Heiner Müller so frei, überall gewisse „Latenzen“ aufzuspüren, in Dingen und Räumen, in Orten und Landschaften, in Gedanken. 

Gerold Paul

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