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Kultur: Launig wie ein Capriccio

Eichendorffs „Taugenichts“-Novelle im Näser-Garten vorgelesen

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Eichendorffs „Taugenichts“-Novelle im Näser-Garten vorgelesen „Mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenschein“, bekennt der Ich-Erzähler in Joseph Freiherr von Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“, der vom Vater aus dem Haus heraus in die weite Welt hineinkomplimentiert wird. Was dort erleben? Schwärmen, Schweifen, Abenteuer sind wesentliche Seiten romantischen Weltgefühls, das der Dichter mit feinsinniger Beobachtungsgabe in meisterlichen Worten niedergeschrieben hat. Es zu lesen, bringt Gewinn. Ungleich höheren, wenn man sich’s vorlesen lässt. Im Garten beispielsweise, denn von solchen Naturkleinodien und dem diesbezüglichen Beruf geht in der Novelle viel die Rede. Eine majestätische Birke und Koniferen umsäumen den halbschattig gelegenen Hausgarten von Christa und Dr. Konrad Näser (Gärtner beim legendären Karl Foerster) mit seinen vielen lauschigen Winkeln. Angenehm kühl ist’s hier. Genau das Richtige für die Unzahl von Fuchsien, die Christa Näser liebevoll hegt und pflegt. Gegenwärtig zeigen sie sich in voller Blütenpracht: cremeweiß über blässlich rosa bis hin zum kräftigen Blütenfarbkontrast von karminrot und blauviolett. Unter den Hochstämmen breitet sich Farn aus. Halbschattenstauden bilden dichte Teppiche. Fleißige Lieschen wuchern an Baumscheiben, üppige Rhododendronbüsche zeigen ihr saftiges Grün. Es sitzt sich angenehm auf dem rasengefederten „Rastplatz“. Die Seele darf baumeln. Die Gedanken können spazieren gehen und den Taugenichts auf seiner Reise begleiten. Unbekümmert und burschikos, zu Neckereien und amourösen Abenteuern aufgelegt zieht der junge Mann gleichsam als Verweigerer bürgerlichen Wohlverhaltens in die Ferne. Eine Geige ist mit dabei, begleitet den bei vielen Anlässen angestimmten Gesang: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt“. Die von einem Trio angestimmte Melodie durchweht den Garten, gliedert genauso den Reisebericht wie andere musikalische Zutaten. Es sind stimmungsvolle, entspannende, sich gleichsam in die Seele räkelnde Piecen, die Christiane Hoch (Flöte), Karin Liersch (Violoncello) und Brigitte Breitkreuz (Gitarre) anstimmen. Der Instrumente Klang mischt sich vorzüglich. Gelegentlich übernimmt, wie im Vivace der C-Dur-Sonate von Karl Friedrich Abel, die Flöte die Führung, ein andermal ist’s das Cello. Heiter und witzig akzentuiert tanzt ein Diabellischer Ländler vorüber; galant klingt ein Boccherinisches Menuetto auf; liebenswürdig geben sich Stücke von Joh. P. Schiffelholtz. Das alles passt zum Text und zur Natur vorzüglich. Sogar ein Specht antwortet den Klängen – laut schimpfend. Dessen Protest verstummt, als die Blockflöte „Engels Nachtgesang“ von Jacob van Eyck bläst und Vogeltirilieren imitiert. Das kavaliersgemäße und fein abgestimmte musikalische Reisegepäck ist dem Vorleser (Klaus Büstrin) nicht Last, sondern stachelt seine Vortragslust an. Genüsslich kostet er die Liebes- und Naturlyrik der Vorlage aus. Diese ist aus Zeitgründen gekürzt. Manchmal sind''s fließende Übergänge, dann wieder harte Erzählschnitte. Letztere stören keinesfalls, bringen durch ihre kaleidoskopartigen Abfolge vielmehr Abwechslung und Spannung in den Fortgang des Geschehens. Und so steht der Euphorie des Taugenichts die Diktion einer schnippischen Kammerjungfer gegenüber, wechselt die genüssliche Beschreibung listiger Amouren einer jungen Gräfin mit den moralfreizügigen Bekenntnissen von reisenden Malern und fahrenden Musikanten, die sich als Prager Studenten ausgeben. Launig wie ein Capriccio blättert der Vorleser das „Tagebuch“ auf. Der Reise nach Wien mit den Erlebnissen als Schlossgärtner („leider hatte ich zu viel zu tun“) und Zolleinnehmer folgt die Entführung auf eine alte Burg in Italien. Dann der Aufenthalt in Rom Der Taugenichts ist immerfort auf der Suche nach sich selbst. Die Konfusion des Herzens löst sich schließlich. Zum Schluss sitzen er und die Kammerjungfer beieinander und sehen „zufrieden in die stille Gegend hinaus“. Die Zuhörer auch, denn nun „war alles, alles gut!“

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