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Kultur: Lauter bitte!

Maximilian Erlenwein zum Filmgespräch im Thalia

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Ganz zufrieden war Maximilian Erlenwein nicht. „Viel zu leise“, sagte er am Wochenende, nachdem er zum Abspann von „Schwerkraft“ den Kinosaal im Thalia betrat. So könne die Musik überhaupt nicht richtig wirken. Gut, dass Regisseure nicht auch noch bestimmen können, in welcher Lautstärke ihr Film gezeigt werden darf, dachte man da und streichelte sanft die eigenen, empfindlichen Ohren. Aber da war dieses eine Lied. „I wanna be your man“. Satte E-Gitarre und verzerrter Gesang. Ein Blues in schweren Lederstiefeln. Doch, den hätte man gern ruhig etwas lauter hören können.

Musik und Film, für Jungregisseur Erlenwein ist das die perfekte Mischung. In seinem Debütfilm „Schwerkraft“, für den er mit dem diesjährigen Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet wurde, gelingen ihm in der Verbindung von Musik und Bild dann auch ganz eindringliche Momente. Den rohen und ungestümen Psychobilly, eine Mischung aus Rockabilly und Punk, hat Erlenwein dafür genutzt, die Geschichte mit einem grandiosen Fabian Hinrichs in der Rolle des frustrierten Bankers Frederik und Jürgen Vogel in der Rolle des schweigsamen Ex-Knackis Vincent voran und schließlich in den Abgrund zu treiben, an dessen Rand zumindest für den Banker Frederik ein Lächeln wartet. Ein Film in grauen Farben, voller Verzweiflung, offener Rechungen, sattem Zynismus und bissigem Humor. Ein Film, in dem es um den Kampf gegen eigene Dämone geht, der immer auch etwas Zerstörerisches hat, wie Maximilian Erlenwein während des regen Filmgesprächs im gut besuchten Kinosaal sagte. Ein Film aber auch, in dem die Gewalt zelebriert wird und in bestimmten Momenten bewusst die Grenzen des Erträglichen überschreitet. Damit ist „Schwerkraft“ auch ein Film, der den Zuschauer genau da packt, wo es weht tut. Ehrlich und gemein wie ein kantiges Riff im Psychobilly. Ist das erreicht, ist auch Regisseur Erlenwein zufrieden. Aber ein wenig Spaß darf man ruhig haben, wenn Frederik mit dem Baseballschläger auf Skinheads losgeht und die Bande von Hasenfüßen in fast schon tänzerischer Choreografie in die Flucht schlägt. Da lässt auch Maximilian Erlenwein, bekennender Fan amerikanischer Actionfilme, seiner Begeisterung freien Lauf und scheint, während er von den Aufnahmen dieser Szenen erzählt, wieder zurück am Drehort zu sein. Und in diesem Moment wünschte man sich, „Schwerkraft“ gleich noch einmal zu sehen. Da hätte Erlenwein dann auch am Lautstärkeregler spielen dürfen. Denn ein klein wenig lauter kann nun wirklich nicht schaden. Dirk Becker

„Schwerkraft“ läuft täglich in den Thalia Arthouse Kinos, Rudolf Breitscheid Straße 50, jeweils 21 Uhr

Dirk Becker

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