Kultur: Leben, Tod und andere Schönheiten Jugendliche inszenieren Sartres „Das Spiel ist aus“
Er ist einfacher Arbeiter. Und Kopf einer Bewegung von Aktivisten, die in einem nicht verorteten Land die Macht stürzen wollen.
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Er ist einfacher Arbeiter. Und Kopf einer Bewegung von Aktivisten, die in einem nicht verorteten Land die Macht stürzen wollen. Die Kugel eines Verräters trifft und tötet ihn. Sie, mit aufgestecktem Haar, ganz in Schwarz gekleidet, blass und mit melancholischen großen Augen, ist eine Frau der wohlhabenderen Schicht, vergiftet vom eigenen Ehemann, einem offensichtlichen Mitgiftjäger und Sympathisanten der Obrigkeit.
Pierre und Ève, die Hauptpersonen in Jean Paul Sartres Stück „Das Spiel ist aus“, das am Freitagabend im Potsdamer T-Werk in einer Adaption der Jugendtheatergruppe „Tarántula“ unter dem Titel „Tod, Leben und andere Schönheiten“ zu sehen war, treffen – zum gleichen Zeitpunkt zu Tode gekommen – im Reich der Toten aufeinander. Ein Chor von Stimmen ruft die beiden in die mysteriöse Rue de Languénésie. Dort treffen sie auf Madame Barbézat, die umgeben von ihren Hunden Anubis und Régulus mithilfe des Hauptbuches den Tod der beiden bestätigt.
Auf der Bühne, die nahezu nur durch eine Leinwand und den darauf projizierten Bildern das Interieur der Szenerien wechselt, sieht man Pierre und Ève nun in einem Strom von so illustren Toten wie Maria Stuart, Elisabeth I. oder Mata Hari umherwandeln, die sich zwischen den Lebenden bewegen, ohne dass diese sie sehen. Hilflos sehen die beiden mit an, dass ihnen liebe Menschen schwere Fehler machen werden und sie ihnen nicht helfend zur Seite stehen können. Doch sie sollen eine zweite Chance bekommen. Ein Fehler im Hauptbuch hat verhindert, dass Pierre und Ève sich laut ihrer Bestimmung im realen Leben begegnen. Also bekommen sie von Madame Barbézat die Möglichkeit, noch einmal auf die Erde zurückzukehren.
Die jugendlichen Schauspieler haben sich schwierigen Themen gestellt, als sie, unter der Leitung von Ulrike Schlue und Jenny Bellmann, die Umsetzung von Sartres Stück „Das Spiel ist aus“ für die Bühne vorbereitet haben: Revolution und Verrat, Schicksal und Bestimmung, das Leben nach dem Tod. Und trotzdem haben sie eine eigene Interpretation gefunden, die schon beim Titel ansetzt und sich bereits in der ersten Szene andeutet. Ein Engel sitzt auf einer Schaukel, träumt und bewegt sich spielerisch zur Musik im Hintergrund. Ein Schattenriss auf der Leinwand im Hintergrund zeigt die friedliche Szenerie spielender Mädchen. Dann setzt das Stück ein.
Diese Schattenriss-Sequenzen werden sich im Laufe des Spielens wiederholen, werden als Tore fungieren zwischen Leben und Tod. Man wird die Umrisse von Figuren sehen und eine Hand über ihnen, die mit ihnen spielt, sie aus der Situation herausnimmt oder in das Spiel hineinschubst. Und ganz zum Schluss werden der Engel und sein schwarz bemantelter Kompagnon am Bühnenrand stehen und sinnend in die Menge schauen, auf diesen und jenen zeigen und damit den Fortgang des Spieles andeuten.
Anders als Sartre, der sich ganz auf die existenzielle Frage der menschlichen Freiheit und der Möglichkeiten der Wahl konzentriert, bauen die Jugendlichen in ihr Stück eine höhere Macht ein, die vordergründig lenkt und leitet. Nebenbei vermischen sie außerdem die Zeiten, lassen das modern gekleidete Straßenmädchen neben der eher am 19. Jahrhundert orientierten Ève auftreten. Mit ihrer Inszenierung haben sie neugierig gemacht – auf weitere Produktionen. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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