Kultur: Lebensfroh trotz allem
Lesung und Erinnerung an den Schriftsteller Hasso Grabner in der Villa Quandt
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Welch eine Lebensgeschichte. Dass sie nie niedergeschrieben wurde, ist erstaunlich und bedauerlich zugleich, aber vielleicht auch verständlich in einer Zeit, in der es nur so von eilig verfassten Erinnerungen wimmelt, darin kaum Zeitgeschehen vermittelt und wenig erzählt wird. Blickt man vergleichsweise, und sei es nur knapp zwei Stunden lang, auf die wechselvolle und überaus bewegte Lebensgeschichte des Dichters Hasso Grabner, dessen schriftstellerisches Werk heute kaum noch jemand kennt, wird die Zeit, in der sie ablief, von einem Moment auf den nächsten greifbar, ja, förmlich widergespiegelt. Dass dieser Eindruck am Donnerstagabend in der Villa Quandt so rasch entstehen konnte, ist nicht nur den unterschiedlichen Texten zu verdanken, mit denen an Hasso Grabner, anlässlich seines 100. Geburtstags, erinnert wurde, sondern vor allem auch der Anwesenheit Sigrid Grabners, der Witwe des Schriftstellers und Mitbegründerin des Brandenburgischen Literaturbüros.
Grabner hat nicht nur seine eigenen schriftlichen Spuren hinterlassen, wie etwa in „In Memoriam Pfarrer Schneider“, die Schilderungen des Lageralltags im KZ Buchenwald und die Beschreibungen der perversen Häftlingsbestrafungen, denen dieser Geistliche standhielt, bevor er, „ein Mensch, der leidet wie wir“, schließlich ermordet wurde. Grabner hält diesen Terror in nüchternen Worten fest und Michael Schrodt, Schauspieler am Hans Otto Theater, trifft als Vorleser den richtigen Ton, unpathetisch und beeindruckend genau. Ein, zwei frühe Gedichte Grabners ergänzen das Bild eines Menschen, der als Kommunist anschließend nach Griechenland strafversetzt, de facto als deutscher Besetzer, ob seiner humanitären Verdienste von der einheimischen Bevölkerung sogar gebeten wird zu bleiben und der bei seiner Rückkehr nach Deutschland 1944, wegen vorbildlicher Kameradschaft, paradoxerweise auch noch das Eiserne Kreuz angeheftet bekommt.
Aber es werden auch manche Erinnerungen anderer Zeitgenossen vorgelesen, die Grabner begegnet sind, die seine Hilfsbereitschaft, seinen wachen Geist, seinen Einsatz fürs Ganze und für die Gerechtigkeit schätzten und seinen Sinn für Humor sehr mochten. Jan Koplowitz etwa, der in einer sehr vergnüglichen Anekdote aufgeschrieben hat, mit welch rhetorischem Witz Grabner 1949 als Generaldirektor der volkseigenen Stahlindustrie auf einem Autorentreffen brillierte oder auch der Brecht-Schüler Arno Bronnen, der Grabner 1956 kennenlernte, als dieser, inzwischen zum Werkleiter des Kombinats „Schwarze Pumpe“ degradiert, ob seiner pragmatischen unbürokratischen Art bereits mit mehreren SED-Parteistrafen belegt worden war und massiv von der Stasi bespitzelt wurde.
War Hasso Grabner somit ein Unbequemer, so blieb er dennoch parteinah. Ein Widerspruch, auf den Sigrid Grabner auch eingeht, indem sie aus ihrer Autobiografie „Jahrgang ’42“ vorliest, darin sie festgehalten hat, wie sehr ihr Mann, „der immer Heitere, Zuversichtliche“ zwar einerseits unter der Borniertheit „dieser machtbesessenen, feisten Bürokraten“ gelitten hat, aber ebenso, wie ungebrochen seine Hoffnung und sein Glaube an eine gerechte Gesellschaft geblieben sind. Rational könne man seine unerschütterliche Parteitreue deshalb sicher nicht erklären. Hasso Grabner war ein typischer Macher, ein höchst fähiger Organisator, ein Wirtschaftsfunktionär, der lediglich den Beruf des Buchhändlers erlernt und keine Moskauer Kaderschule durchlaufen hatte, wie jene, die ihm das Leben schwermachten. Mit Leib und Seele habe er sich dem Wiederaufbau verschrieben, sagt Sigrid Grabner. Am Ende der Bonzendrangsal, nach all den Strafen und Verboten jedoch musste er sich schließlich ganz mit dem Schreiben durchschlagen. Am 3.April 1976, wenige Tage nach seinem letzten Parteiverfahren, starb Hasso Grabner.
Daniel Flügel
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