Kultur: Leidenschaft bis zur Verzweiflung
Chris Hinze und Mikos Meiniger mit der Trilogie „Liebe. Leben. Tod“ im Kunsthaus „Sans Titre“
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Es ist nicht nur eine Ausstellung, die Chris Hinze und Mikos Meininger – die Köpfe hinter dem Kunsthaus „Sans Titre“ – gemeinsam realisiert haben, es ist vielmehr eine Trilogie. Drei essenziellen Themen widmen sich die Potsdamer Künstler: Liebe, Leben und Tod. Diese Woche ist die Ausstellung zum Thema „Liebe“ zu sehen, bevor es am kommenden Samstag ganz um das „Leben“ gehen wird.
Rot dominiert die Ausstellung – und sticht natürlich im Kontrast zu den sterilen, weißen Wänden im Kunsthaus heraus. Durch den Raum zu streifen und andächtig Gemälde zu betrachten, das macht jedoch schon die Installation aus einem roten Gartenschlauch unmöglich, der sich mitten durch den großen Raum windet, ein roter Faden, der sich durch das Konzept zieht. Ganz am Rand hängen dicht beeinandergedrängt kleine Gemälde in Petersburger Hängung – ein Griff in die Trickkiste, um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die schiere Menge zu fixieren. Mehr noch: Wenn dem Betrachter eines der Bilder besonders gefällt, so kann er es von der Wand nehmen – und etwas dahinterschreiben, bevor es es zurückhängt. Was dann dort steht, wird erst zu lesen sein, wenn die Bilder nicht mehr hängen: Meininger spricht von einem „literarischen Schatten“, der das Bild überdauere.
Meiningers Bilder bestehen aus schrillen Farben, in denen sich Figuren abzeichnen, die Details sind reduziert. Die Farben scheinen aus dem Bild direkt ins Auge des Betrachters zu springen, wie etwa bei „Krieger geht durch das Tor“, das in blutigem Rot und intensiv-lebendigem Grün gezeichnet ist. Die Rahmen sind größer als die Bilder, sodass um die Bilder herum noch etwas Weiß als Pufferzone bleibt. Und es finden sich immer wieder Aktzeichnungen, die mit breitem Pinselstrich die Details verwischen. Neben den kleinen Bildern dann drei großformatige Bilder, die Figuren darauf sind nackt und knallrot, als wären sie verbrannt oder verbrüht – Meininger habe sich durch Texte von Charles Bukowski, dem großen amerikanischen Rauschpoeten, dazu inspirieren lassen, sagt er selbst. Leidenschaft verbindet sich mit Verzweiflung, fast schon eine pornografische Ästhetik. Im mittleren Bild, das den Titel „Der sechste Finger“ trägt, ragt eine Hand von unten hervor und schiebt sich in das Bild: Sie verdeckt dadurch explizit den Bereich der sich auf dem Rücken räkelnden Frauenfigur, der zu explizit wäre. „Diese Anstößigkeit ist natürlich gewollt“, sagt Meininger. Überhaupt dominiert Leidenschaft über die Liebe – Meininger sieht aber keinen Unterschied: Ganz oder gar nicht sei seine Devise.
Chris Hinze benötigt diese Explizität nicht, seine Arbeiten sind reduzierter, mit klaren Strichen, die keiner verzweifelten Leidenschaft bedürfen. Fast alle Bilder sind Gesichter, welche die Augen geschlossen haben, er zoomt nah an die Figuren heran, die nicht zurückblicken können. Aber nicht nur Bilder sind zu sehen, auch eine Installation: An Birkenästen, die von der Decke hängen, hat er jeweils zwei Blechkästen befestigt, die wie zwei Augen schwach schimmern – Vorsicht, nicht auf die Kabel treten, die das fünfteilige Geschöpf mit Strom versorgen. Auch Bronzeplastiken stellt Hinze aus: „Goldige Liebe“ etwa zeigt zwei Figuren, die sich halten. Das ist Kitsch, den Hinze dadurch kokettiert, dass er den Titel noch mit einem Smiley versieht. Seine Holzplastiken dagegen sind surreal, das Holz wirkt verrußt, wieder sind es Figuren.
Hinze und Meininger, die das „Sans Titre“ leiten und sich bei einem Künstleraustausch im uruguayischen Montevideo kennenlernten, wollen mit der Trilogie etwas von sich preisgeben, einen Kreis schließen. Bisher seien es nur Fremdausstellungen gewesen, die man in dem Kunsthaus zu sehen bekam, jetzt wird der Winter genutzt, um selbst aus der Deckung zu kommen und die eigenen Arbeiten zu präsentieren. Der Betrachter komme nicht in eine fertige Ausstellung, sondern lerne etwas über die Künstler, sagen sie. Von der „Liebe“ zum „Leben“ ist es dann nur ein kleiner Schritt: Ab kommenden Samstag folgt der zweite Teil der Ausstellung.
Chris Hinze und Mikos Meininger mit der Trilogie „Liebe. Leben. Tod“, „Liebe“ ist zu sehen bis kommenden Samstag, 14. Februar. Danach folgt „Leben“. Kunsthaus „Sans Titre“, Französische Straße 18.
Oliver Dietrich
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