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Kultur: Letzte Kaiserin

Angelika Oberts Buch über Auguste Victoria

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Noch ist Luise als „Königin der Herzen“ nicht verdaut, schon steht die nächste ante portas. Die feministische Theologin und Journalistin Angelika Obert hatte sich ein Herz gefasst, um eine neue Biografie über Auguste Victoria, die letzte deutsche Kaiserin, zu schreiben. Weil solches Blaublut aber höheren Ranges als Luise ist, steht auf der Titelseite von „wichern porträts“ auch ganz rechtens „Kaiserin der Herzen“. Im gleichen Atemzug macht die Autorin sie zu einer „starken Frau“ heutiger Optik, sieht Victorias „feministisches Bewusstsein“ trotz Sackkleidmode und Hochsteckfrisur unaufhaltsam wachsen. Als Leiterin des Evangelischen Rundfunkdienstes ist sie ja selbst eine Emanzipierte, weiß also „Klischees“ wie „unbescholten, mustergültige Gattin und hingebungsvolle Mutter“ pflichtgemäß zu misstrauen. Dafür entdeckt sie „ein reiches Menschenleben“, ganz „erfüllt von Tapferkeit und Liebeswillen“, was natürlich ganz etwas Anderes ist. Und schildert die 1858 auf dem Lausitzer Rittergut Dolzig geborene Auguste Victoria Friederike Luise Feodora Jenny zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg als ungeliebtes, verstörtes Kind ihrer Eltern, weshalb sie sich niemals „kokett ihrer Reize gewiss sein“, niemals den Mut haben wird, „einer eigenen Meinung freien Lauf zu lassen“. So ein Quatsch!

Eine kluge Kinderfrau prophezeite ihr mit elf, sie würde einmal eine Königin werden. Nicht so schön wie Luise, fügte Obert hinzu, aber immerhin. Tatsächlich sorgte man von Primkenau via Berlin bis zu den britischen Inseln dafür, dass Dora (ihr Kosename) und Kronprinz Wilhelm sich schon im Kindesalter bekannt machten. „Gepeinigt von seiner besserwisserischen Mutter“ wird er als verunsicherter Posierer beschrieben, für die fromme Landpomeranze Victoria zwar interessant, aber „einem selbstbewussten Mädchen wäre seine Art vielleicht auf die Nerven gegangen“. Dieser nervende Ton verliert sich, je tiefer die Autorin in die inneren Kämpfe der Lausitzer Herzogstochter eindringt. Sie will sie ja vorführen, wie die „Kirchenjuste“ und „Treueste der Treuen“ zur Kaiserin der Herzen wird. Dazu braucht man keinen Feminismus, sondern etwas, das Christen am besten kennen sollten, die dienende Haltung.

So heiratet das Paar 1881 in Berlin, sieben Jahre danach wird sie deutsche Kaiserin. Auch wird sie sieben Kinder gebären, die sie mit größter Liebe aufzieht. Es wird 1906 ein tiefes Zerwürfnis mit ihrem Mann wegen der Harden-Eulenburg-Affäre geben, zwei Jahre später wird sie ihm dennoch den Thron retten, als er abdanken will. Stets hält sie zu ihm, kämpft für die Monarchie, hilft, weil er schwächelt, sogar beim Regieren. Mehrere politische Fehlentscheidungen gehen auf ihre Kappe, so beim Streit um den U-Boot-Krieg. Wenn ihr beim Privatbegräbnis am 19. April 1920 in Potsdam Zweihunderttausend die letzte Ehre erwiesen, so gewiss nicht wegen ihres „feministischen Bewussteins“, sondern, weil sie tatsächlich die Herzen der Menschen erreichte.

Diese Biografie ist der Versuch, eine Prominente ins Flaggschiff der Selbstbewussten zu ziehen. Freilich misslingt das Angelika Obert, denn sie beschreibt die letzte Kaiserin aus der Totale etwas zu liebevoll als engagierte und aufopferungsvolle Frau, Familie und Gatten genauso treu ergeben wie dem Vaterland, dem sie im Kriege bis zur körperlichen Erschöpfung diente. Gerold Paul

Angelika Obert, „Auguste Victoria. Wie die Provinzprinzessin zur Kaiserin der Herzen wurde“, wichern porträts, 14.95 Euro

Gerold Paul

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