Kultur: Leuchtende Idee
Die 3. Nacht der offenen Kirchen wurde einfühlsam in Szene gesetzt: in Potsdam und im Umland
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Neben den Großen muss es auch Kleine geben, das ist ein Gesetz dieser Welt. Ganz im Sinne dieses Spruches war es reizvoll, die 3. Nacht der offenen Kirchen aus dieser Perspektive zu beleuchten. Zumal das vom Stadtkirchenpfarramt zum Thema erhobene „Licht“ nicht nur bei der Friedens- und Nikolaikirche oder beim Signieren von Ziegeln für den Garnison-Turm in spe, sondern auch in der „Provinz“ scheinen sollte. Hatte nicht jede der bis nach Falkenrehde erweiterten Kirchengemeinden Potsdams die Botschaft vom Licht empfangen und sich eigene Gedanken gemacht, wie sie diesen besonderen Tag gestalten wollte? Unterstützt wurden sie darin von der Potsdamer agenturpromotions, die die leuchtende Idee an den 23 Kirchen äußerlich einfühlsam in Szene setzte.
Auf dem Neuendorfer Anger begann die „lange Nacht“ schon nach dem Mittag. Volksfeststimmung mit Zelten und irischer Musik zur „Einweihung“ der noch unfertigen Kirche, die mehr als eines Blickes wert ist. Acht Ecken, ein Hochschiff mit gotisierender Kuppel, darauf ein blauer Sternenhimmel.
Matthias Platzeck und Andreas Kitschke versuchten in ihren Reden die Wogen zu glätten, welche sich um die Nutzung des Hauses türmen, das Schild „Standesamt“ am Portal ärgert ja viele bereits. Drinnen zeigte am späten Nachmittag eine Gruppe Theater-Senioren unter der Leitung und Mitwirkung von Christa Nachtigall, wie Erich Kästner sich die „13 Monate“ vorstellte. Gut gemacht, viel Applaus. Draußen Zelte und Stände, die Einnahmen für Essen und Trinken kommen dem weiteren Baubetrieb, einem Kampanile etwa, zugute. Ein großer Kuchenbasar, Lampionumzug mit Dixielandmusik, und überall interessante Begegnungen.
Weiter ging“s zur gleichfalls achteckigen Sternkirche. Hier wurden gerade die Vorbereitungen für den Abend abgeschlossen. Kinderzeichnungen an den Wänden, farbliche Reflexe auf ihren eigenen Namen, zum Beispiel „Die Weißheit Sophie“, hübsch. Man hatte Zitate von Hermann Hesse zum Thema Licht und Liebe an Wänden befestigt, eine Erdbeertorte riesigen Maßes in Form eines Herzens, Kaffee und Wein auf dem Tisch, das Haus war bereitet für eine Lesung von Astrid Lindgren, für diesen liebevoll vorbereiteten Abend.
In der Versöhnungskirche am Kirchsteigfeld war nix los, nur Orgelspiel hinter verschlossenen Türen, die Gemeinde war auf Reisen gegangen. Man wurde nach Drewitz verwiesen, wo der Wind in den Bäumen wie Regen klang. „Bringet Frucht“ stand an der barocken Kanzel. Hier gab es zu Orgel und Saxophon Lesungen, die sich allesamt auf das Licht bezogen: Jesaja, Saint-Exupery, Grimms Märchen, aber man brachte auch naturwissenschaftliche Texte, eine gute Idee im 275 Jahre alten Gemäuer. Die vier vom Oberlinhaus spendierten Boten-Shuttles hatten viel zu tun, das umtriebige Volk Potsdams hin- und herzubefördern, Besucher gab es überall.
Auch dort, wohin man sich selten verirrt, nach Bergholz. Hier wurde man zum Innehalten eingeladen: betörend schöne Orgelstücke des Saarmunder Kirchenkomponisten Manfred Schlenker, gespielt von seinem Sohn Michael, dazu eindringliche Worte von Fulbert Steffenski, Ex-Gatte der Theologin Dorothea Sölle. „Wir müssen keine Meister im Glauben sein“, war zu hören, wenn wir es nur ernst meinen mit Gott. Er forderte dazu auf, die passiven Seiten des Menschen neu zu betonen, Aufnahmefähigkeit, Geduld, Demut. „Ich bin gegen das Reden ohne Schweigen“, schrieb er, auch im Gottesdienst, erst das Schweigen hilft, das Wort wahrhaftig werden zu lassen. So tat man, und es gelang.
Danach war der Kirchturm zu besteigen, Kerzen erleuchteten den finsteren Friedhofsweg zur neuen Kapelle, wo dann zum Ausklang eine kleine Andacht stattfand.
Gerold Paul
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