Kultur: Licht auf Leinwand
Bilder von Barbara Raetsch in der Atelierkapelle auf Hermannswerder
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Bilder von Barbara Raetsch in der Atelierkapelle auf Hermannswerder Von Götz J. Pfeiffer Licht gehört zur Malerei. Das scheint selbstverständlich und sollte doch immer wieder einmal bedacht werden. Eine anregende Gelegenheit dazu bieten die Bilder von Barbara Raetsch, die sie aktuell in der Atelierkapelle auf Hermannswerder ausstellt. Der schlichte Titel „Fassaden und Landschaft“ verheißt Gegenständliches. Zu entdecken sind Arbeiten von hoher malerischer Dichte. Und da von knapp 30 Werken nur drei nicht in diesem Jahr entstanden, gehört das erste Staunen der Produktivität der Malerin. Denn hat sie in diesem Jahr nicht bereits die bilderreiche Werkschau für ihren Mann Karl Raetsch im Alten Rathaus (PNN berichteten) erfolgreich geschultert? Das zweite Staunen gilt bald der Neuheit ihrer Bilder, gerade weil Themen, Kompositionen und Farbigkeit aus ihrem Schaffen vertraut erscheinen. Helles und abschattiertes Gelb, mit dem Barbara Raetsch seit Jahren brandenburgische Landschaften einfängt, teilt sich in der Ausstellung die farbige Dominanz mit kräftigem, variiertem Rot. Auch diese eine von der Malerin in letzter Zeit bevorzugte Farbe. Und doch hat diese Ausstellung mehr zu bieten als weitere der bekannten Blicke in das Land. Denn auf den aktuellen Bildern hält Barbara Raetsch nicht nur die weiter abstrahierten Motive, sondern auch die Lichthaltigkeit des Gesehenen in Energie geladenen Arbeiten fest. Auf dem „Tal bei Langerwisch“, einer einfachen Landschaft aus Augenhöhe des Spaziergängers, leuchtet das hoch stehende Korn von innen heraus, in feinem Kontrast vor dem etwas graueren Himmel. Als Silhouette erscheint das „Haus am Feierabend“ in kaum bestimmbarer Ferne vor einer gleißenden Sonne, die durch das ganze Bild strahlt. Erst allmählich lösen sich die hier abschattierten, dort aufgehellten Gelbtöne aus abstrakter Farbigkeit und sind als landschaftliche Angaben zu deuten – ein anregender Spaziergang für die Augen. Und bei „Graue Blumen“ ist das Licht in einzelnen Blütenblättern – denen von Silberdisteln? – gefangen und kontrastiert mit einem grau ausgemischten Hintergrund. Dieses Spiel von gebrochenem Licht und unterschiedlichen Schatten ist vor den Objekten mit so wachem wie erfahrenem Blick gesehen und empfunden. Im Vergleich mit älteren Arbeiten erscheint diese neue Sichtweise der Malerin wichtig, überträgt sie das in der Landschaft Gewonnene doch auch auf ihre Fassaden- und Ruinenbilder. Zum unmittelbaren Vergleich lädt ein, dass drei ältere Werke mit ausgestellt sind: die bräunliche „Gutenbergstraße 100“ von 1983, das grau verfallene „Belvedere auf dem Clausberg“ von 1990 und der winterlich braune „Pomonatempel auf dem Pfingstberg“ von 1991. Erinnert man sich dann noch der schrundig aufgerissenen, maroden Häuserfassaden, die Barbara Raetsch in den vergangenen gut zehn Jahren zahlreich in Öl gebannt hat, versetzen ihre aktuellen Arbeiten mit ähnlichen Motiven um so mehr in Erstaunen. Da ist auf „Licht II“ die Häuserfront mit gleißendem Weiß übergossen, das hinter den Türen und Rahmen liegt, mithin aus dem Inneren des Hauses dringt. Da kontrastieren auf „ausgebrannt I“ ein schwarzes Fenster und eine leere, düstere Tür vor pulsierendem Gelb, das nicht mehr an das Haus als Materie gebunden, sondern selbst zu solcher geworden ist und aus der Bildtiefe strömt. Und in „ausgebrannt IV“ ist die unübersehbar ausgeglühte Ruine eines barocken Mehrgeschossers von immateriell gespenstischem Licht durchweht. Denkmäler setze sie den Häusern, deren jedes ein Schicksal ist, meint die Malerin. Es sind einnehmende Mahnmale des Lebens, an die sich Barbara Raetsch mit Hingabe in mehr als zwei Dekaden heran gemalt hat. So erfreulich die Ausstellung von Kontinuität in der Kapelle kündet, kann etwas anderes beinahe noch heiterer stimmen. Zwischen den Raetsch“s als Pächtern der Kapelle und der Hoffbauer-Stiftung als deren Eigentümer findet nach dem Ende des juristischen Streits eine Annäherung statt. Der jüngere Sohn Robert, dessen Steinbildhauerbude schon einige Zeit neben der Kapelle steht, gibt seit diesem Schuljahr Kurse für einige Hoffbauer-Schüler. Das ist als positives Signal zu sehen, nämlich dafür, dass die Kapelle als Ort künstlerischen Arbeitens und Ausstellens erhalten bleibt. Und allemal auch ein weiterer Lichtblick für die Kunstszene in Potsdam. Bis 20. November in der Atelierkapelle Raetsch auf dem Hermannswerder. Sa, So, Feiertags 11 bis 17 Uhr.
Götz J. Pfeiffer
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