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Kultur: Licht und Dunkel
Das 2. Sinfoniekonzert der Kammerakademie Potsdam: Mozart und Schönberg
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Wolfgang Amadeus Mozart hat sich nie dazu geäußert, warum er diese oder jene Tonart für eine Komposition gewählt hat. Die unterschiedlichen Eigenschaften, die zu seiner Zeit den Tonarten zugeschrieben wurden, dürfte er aber gut gekannt haben. Beim zweiten Sinfoniekonzert im Nikolaisaal mit der Kammerakademie Potsdam konnte diesen Klangphänomenen in zwei B-Dur-Klavierkonzerten des Salzburger Meisters nachgespürt werden. Nicht zuletzt der Kontrast zur zweiten Kammersinfonie in es-Moll von Arnold Schönberg ergab eine ungewöhnliche Bandbreite von Stimmungen jenseits von Norm und Konvention.
Der Tonart B-Dur wird Heiterkeit, unbefangene Fröhlichkeit, Erdennähe, Beseelung und Freude zugeschrieben, zugleich nichts Extrovertiertes, sondern etwas ganz nach innen Gerichtetes. Mozart hat diese vergleichsweise einfache Tonart mit zwei Vorzeichen relativ oft, aber nicht übermäßig verwendet. Im Nikolaisaal spielt Pianist Martin Helmchen zu Beginn Mozarts Klavierkonzert KV 450, ein Werk aus der Zeit von Mozarts Versuchen, als Pianist und Komponist in Wien Fuß zu fassen. Das von ihm persönliche uraufgeführte B-Dur-Konzert gehört zu drei großen Konzerten, von denen Mozart sagte, das sie ihn „schwitzen machen“.
Davon war in Martin Helmchens brillanter Interpretation nichts zu merken. Der gefeierte, junge Klavierspieler nahm die Sechzehntelketten, Triller und Triolen im ersten Satz mit selbstverständlicher Nonchalance wie ein Rennfahrer, der sich in seinen Ferrari setzt. Im zweiten Satz setzt er liedhaft-schlichte Akzente, während das Rondofinale mit kreiselnden Figuren bei starken Zugriff groß aufdreht. Mehr auf Effekte als auf Impressionen bedacht spielt die Kammerakademie unter der Leitung von Antonello Manacorda. Meilenweit entfernt von solch einer galanten Lustmusik zeigt sich die Kammersinfonie in es-Moll von Arnold Schönberg. Obgleich nicht als Zwölftonmusik konzipiert, erklingen hier Tonregionen, die Mozart für eine Realisierung wohl nicht einmal in Betracht gezogen hätte. Denn gerade für die Streicher bedeutet die Tonart es-moll ein im Wortsinne abgelegenes Unterfangen. Schönbergs Komposition spricht für sich. In der Wiedergabe durch die Kammerakademie klingt sie, als ob aus den exorbitant düsteren, vertrackten Turbulenzen, den grellen Rufen, dem Aufruhr der Bläser, den gruftdunklen, eiskalten Böen der Kontrabässe schon alles Unheil des beginnenden 20. Jahrhunderts sprechen würde. Das ist wohl keines der Stücke, das man sich im trauten Heim anhören würde. Es überrascht nicht, wenn man danach in einer alten Tonartencharakteristik liest: „Jede Angst, jedes Zagen des schaudernden Herzens, athmet aus dem gräßlichen Es moll. Wenn Gespenster sprechen könnten; so sprächen sie ungefähr aus diesem Tone.“
Glücklicherweise erfolgt nach der Pause eine Rückkehr in die lichten B-Dur-Gefilde. Mozarts Klavierkonzert Nr. 27, sein letztes überhaupt, verzichtet weitgehend auf virtuosen Oberflächenglanz, es ist ein Werk des Rückzugs und des Abschieds. Selbst von dem verzweifelten Groll der beiden späten Moll-Konzerte ist nichts mehr spürbar. Fast karg mutet das musikalische Material stellenweise an, brüchig der Klang im stillen Larghetto.
Bisweilen bürstet die Kammerakademie im Forte der Streicher harsch auf, meldet sich gelegentlich mit auftrumpfenden Tongesten in den Bläsern zu Wort. Das wirkt nicht immer organisch ausgewogen zum Klavierpart, den Martin Helmchen schlicht und im letzten Satz stürmisch-drängerisch, mit Beethoven’scher Verve anlegt. Erst die Zugabe, das poetische Andante aus einem der schönsten Klavierkonzerte von Mozart, dem Nr. 17 KV 453, lässt die Klangfarben in zartesten Abstufungen aufblühen, vom simplen C-Dur bis zum seltenen gis-Moll. Endlich finden Pianist, Orchester und Publikum zusammen und können in schwelgerischem Genießen ein bisschen über dem Boden schweben. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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