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Kultur: Liebe besiegt Tod!

Kleist-Premiere mit dem Theater „marameo“

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Sommertheater muss nicht immer nur lustig sein, aber auch nicht gleich wieder todernst. Dieser hurtige Spruch bestätigte sich einmal wieder am Freitag, als die Theatergruppe „marameo“ in der Grand Ecole ihre neue Inszenierung vorstellte. Im Schulhof der Kleist-Schule gab man des Dichters letztes Werk, den „Prinzen von Homburg“ auf einer vieltreppigen Off-Bühne, und wieder Open Air. Es geht um Freiheit und Gehorsam, um Traum und Wirklichkeit, um Liebe und Tod. Kein Problem also, in der Titelfigur (Julian Birkner) Kleists eigene Lebens-Konstellation zu entdecken, ja ihn darin gar persönlich wiederzufinden: Als Somnambul im Garten vom Stadtschloss Fehrbellin, als selbsternannten Nachfolger des scheinbar gefallenen Großen Kurfürsten in der Schlacht gegen die Schweden, wegen militärischen Ungehorsams vor dem hohen Kriegsgericht, im Angesicht seines Todes mit letzter Begnadigung. Parallel dazu schrieb Kleist eine anrührend schöne Liebesgeschichte mit der Prinzessin Natalie, bei ihm gut preußisch Natalje genannt. Christiane Dollmann spielte diesen komplizierten Part mit bewundernswürdiger Leichtigkeit.

1675, die Entscheidungsschlacht gegen General Wrangel steht bevor, doch der verliebte Homburg verträumt in einer hübschen Szene die Befehlsausgabe, greift dann ohne Order in die Schlacht ein – und gewinnt auch noch! Statt Dank des Vaterlands erwartet ihn dafür durch Kriegsrecht Tod! Diesen abzuwenden, stellt sich schließlich fast das ganze Heer auf Homburgs Seite, so den gestrengen Kurfürsten und Feldherrn (straff und schlüssig von Wolfgang Mondon gegeben) arg in Bedrängnis bringend. Er kann ja nicht anders, als den Gehorsam zum Gesetz zu erheben, wo wäre Preußen denn sonst hingekommen! Durch Ratschluss der Kurfürstin (Regine Gebhardt mit blasser Kontur) springt der Herrscher dann doch noch über seinen Schatten: Liebe besiegt Tod! Nicht ganz unbeteiligt daran sind Homburgs Freund, Graf Hohenzollern (Jan Käpernick) und der alte Haudegen Kottwitz. Ersterer spielt seine Rolle ohne allen Aufwand ganz aus sich heraus, sehr überzeugend. Wo immer dann Kurt Eichmann auf der rotbetuchten Bühne stand, da stand auch Obrist Kottwitz! Szenische Hilfsdienste leistete Percussionist Botho Karger mit zu verbissner Redlichkeit und Treu.

Lüders spartanische Inszenierung (man spielt in tressenlosen schwarzen Uniformen) hat etwas, was man mehr spürt als sieht. Sie ist ganz auf stehende Arrangements und auf Sprache gebaut, holt viel Spannung aus den gegensätzlichen Positionen der Figuren, hat ein treffliches Tempo, überhaupt eine gute Ökonomie. Der Titelheld selbst ist als Sympathieträger gesetzt, stets glaubwürdig. Jeder handelt so, wie er muss, jeder spielt Untertext, da stellt sich, dank Kleist, das preußisch-märkische Heimatgefühl wie von selber ein. Die berühmte Schlussszene kommentiert Lüders so: Während die Führungselite mit dem Rücken zum Publikum von Vaterlandsverteidigung skandiert, hält sich Prinzessin Nathalie mit schrecklichem Ausdruck die Ohren zu. Nicht gelungen ist der Kurfürsten-Part in der Gartenszene, zu verwundern hat man sich, bei mehr als zwei Stunden Spielzeit, über das völlige Fehlen von gut preußischem Humor – schon eines so gut gefügten Sommertheaters wegen! Gerold Paul

1. bis 3. September je 19.30 Uhr

Gerold Paul

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