Premiere von „Der Rest ist Geigen“ im HOT: Liebe in Zeiten der Popmusik
Ach ja, immer wieder die Liebe. Nirgends sonst findet sich so viel verklärte Romantik, die sich nur um diese unstillbare Sehnsucht dreht, wie in Liebesfilmen – und natürlich in der Popmusik.
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Ach ja, immer wieder die Liebe. Nirgends sonst findet sich so viel verklärte Romantik, die sich nur um diese unstillbare Sehnsucht dreht, wie in Liebesfilmen – und natürlich in der Popmusik. Dass sich beide vor Herzschmerz triefende Genres gut verknüpfen lassen, kann man am morgigen Donnerstag in der Reithalle im Hans Otto Theater erleben: „Der Rest ist Geigen“ heißt ein neues Stück, „ein Popstück über die Suche nach dem ganz großen Gefühl“, so der Untertitel. Was so fein schmachtend klingt, soll jedoch ein Stück voller Ironie werden. Entstanden ist es als Nachfolger des Belle-Epoque-Stückes „Wellen“ von Eduard Keyserling, das ebenfalls von Barbara Bürk inszeniert wurde – diese lasziv-schwülstige Stimmung darf nun wieder aufleben.
„Romantische Ideen sprechen das Gefühl an, dass da mehr als das schnöde Leben ist“, sagt Regisseurin Bürk. Als ein Exkurs in die Pop-Geschichte sei das Stück jedoch nicht gemeint, es sei mehr als ein banaler Liederabend: Das Stück „Ganze Tage, ganze Nächte“ von Xavier Durringer lieferte die Fragmente für die Handlung, die Musik steuerte der musikalische Leiter Markus Reschtnefki bei – Schmachtfetzen voller großer Emotionen? „Ach“, winkt Reschtnefki ab, „bei uns kommen die Emotionen durch die Hintertür.“
Der Ort, an dem die Handlung stattfindet, sei jenseits von Zeit und Raum, „kein Klub, keine Bar, kein Puff – aber von allem etwas“, sagt Reschtnefki. Aber in ihm prallen die Figuren mit ihren Sehnsüchten aufeinander: Die Figuren, die von Raphael Rubino und Denia Nironen gespielt werden, kommen zusammen, die von Melanie Straub und Friedemann Eckert sind es bereits – doch wie eingesperrt in einen Versuchsraum erkennt man die Dysfunktionalität von Beziehungen. „Beide Paare sind ziemlich schräg“, sagt Barbara Bürk. „Bei einem fängt es an und beim anderen hört es auf.“ Über beiden steht aber noch ein drittes Paar, gespielt von Sabine Scholze und Bernd Geiling, das über der jungen Verzweiflung der anderen thront – aber auch in einer Romantik-Kitsch-Ebene gefangen ist. Und neben der Sehnsucht nach Liebe ist immer auch die Sehnsucht nach Anerkennung präsent: einmal so zu sein wie die Stars, diese unantastbaren Götter, die ja immer größer erscheinen, als sie letztlich sind – und damit die Parallele zwischen Romantik und Musik aufzeichnen.
Ist denn aber so ein perfekt inszeniertes Leben auch erstrebenswert? „Man will doch nach ganz oben, weil man sonst ganz unten ist“, sagt Regisseurin Bürk über diese Sehnsucht, das zu tun, was die Stars einem vorleben. Dass ein Leben als Star mit Schmerz und verzweifelter Sucht nach Anerkennung unterfüttert sei, erkennen auch die Figuren – aber gerade die Songs der musikalischen Helden funktionieren als Kitt, als Sehnsuchtsort.
„Es ist ja nichts Schlimmes dabei, wenn sich die Figuren als totale Loser outen“, sagt Bürk. Bei Woody Allen passiere das ja auch ständig – und peinliche Dialoge seien eben auch immer ein Spiegel der Realität. „Es ist eben ein schmaler Grat, wo die Handlung schwankt zwischen Lüge und Klischee oder etwas Wunderschönem.“
Reschtnefki grinst – und verweist auch eine profane Pointe: „Popmusik hat doch immer was mit poppen zu tun.“ Tja, was wäre die Romantik ohne die Reproduktion. Oliver Dietrich
„Der Rest ist Geigen“ am morgigen Donnerstag um 19.30 Uhr in der Reithalle
Oliver Dietrich
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