Kultur: Liebe in Zeiten des Misstrauens
Grit Poppe liest in der Villa Quandt aus „Schuld“
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Da ist dieser Graben, der eigentlich fast immer entsteht beim Erwachsenwerden – zwischen Jugendlichen und ihren Eltern. Ein Graben, der umso größer wird, desto weiter die Vorstellungen vom guten Leben auseinanderliegen, aber keiner, der sich nicht auch mit Reden wieder überbrücken ließe. Viel komplizierter ist das allerdings, wenn der Staat, wenn bestimmte Ideologien diesen Graben aufreißen, wenn Vertrauen aus politischen Gründen zum Risiko werden kann. Dann tun sich schnell mehrere Abgründe auf, zwischen denen der Einzelne sich leicht mal ungewollt in Schuld verstricken kann.
„Schuld“ heißt auch der neue Roman der Potsdamer Autorin Grit Poppe, den sie am heutigen Mittwoch um 20 Uhr in der Villa Quandt vorstellt. Es ist nach „Weggesperrt“ und „Abgehauen“ der abschließende Teil ihrer DDR-Trilogie.
Er erzählt von den Repressionsinstrumenten des Staates gegen seine Jugend, die sogenannten Jugendhäuser, Spezialgefängnisse für Kinder ab 14 Jahren – ein weithin unbekanntes Kapitel der DDR-Geschichte.
Und es geht um Jana, die fünfzehn ist und sich zum ersten Mal verliebt. In Jakob, diesen hageren Jungen mit den struppigen Haaren. Jakob, der einfach sagt, was er denkt. Und dessen Eltern einen Ausreiseantrag gestellt haben. Damit ist er für Janas Eltern ein Staatsfeind, keiner, mit dem sich ihre Tochter abgeben soll. Und auch für Jana, die in einer heilen Welt aufgewachsen ist, auf dem Dorf, nie Probleme hatte mit dem Staat, ist er irritierend. Aber eben auch spannend. Bisher gab es für sie keinen Grund, zu zweifeln. Das aber lernt sie, als sie Jakob trifft, als sie mitbekommt, welchen Schikanen Jakob und seine Eltern durch den Antrag ausgesetzt sind. Ab da werden die ganz normalen Abnabelungskämpfe zu einer echten Gefahr, die erste Liebe zu einer existenziellen Erfahrung nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit einem paranoiden Staat.
Grit Poppe, 1964 in Boltenhagen an der Ostsee geboren, hat für das Buch auch in den Stasiakten ihrer eigenen Familie recherchiert, Berichte von IMs – Inoffiziellen Mitarbeitern der Staatssicherheit – gesichtet und einiges davon auch dokumentiert. „Die Jugendlichen heute sollen sehen können, dass die Stasi wirklich jeden Mist aufgeschrieben hat“, sagte sie im PNN-Interview. Wie dicht die Stasi am Privaten, am Intimsten ihrer Bürger dran war, hat sie selbst erfahren: Als die Stasiakten nach der Wende zugänglich wurden, bekam sie einen Anruf der Frau ihres Vaters. „Sie sagte ,Setz dich mal’, und sagte mir dann die Namen durch. Es waren auch gute Freunde von mir darunter.“
Als verdächtig galt sie damals schon deshalb, weil sie schrieb, sie hatte am Literaturinstitut in Leipzig studiert. Von 1989 bis 1992 engagierte sie sich dann in der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“. Ausreisen, so wie Jakobs Eltern, aber wollte sie nie: „Mir ging es darum, hier etwas zu verändern, die Maueröffnung kam für die Bürgerbewegungen zu schnell.“ Ariane Lemme
Grit Poppe stellt ihren Roman „Schuld“ am heutigen Mittwoch um 20 Uhr in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstaße 46/47, vor.
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