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Kultur: Liebe ist kein Rock’n’Roll
Fast ein bisschen wie kurz vor Weihnachten: Das Konzert von Bosse im Waschhaus
Stand:
Fast könnte man meinen, es liege eine Strategie dahinter: Nach dem abgesagten Konzert im November fand der Nachholtermin also am Dienstag statt, und den angereisten Fans im ausverkauften Waschhaus war diese fast schon weihnachtliche Stimmung aus Spannung und Vorfreude ganz deutlich anzumerken. Wenn man ein Album namens „Wartesaal“ im Gepäck hat, kann man es auch ruhig ein wenig spannender machen, schien sich Axel Bosse wohl gedacht zu haben.
Aber kein Konzert ohne Vorband, weshalb die nur mäßig interessante Kölner Band Pilot zuerst ins Rennen geschickt wurde. Diese Prediger des Gutmenschentums hatten allerdings große Mühe, die Aufmerksamkeit des anwesenden Ameisenhaufens zu gewinnen. Ein bisschen zu farblos turnten sie auf der Bühne herum, ein bisschen zu groß war wohl auch der Schatten von Bosse. Als Support gingen sie jedoch in Ordnung, sollten sie doch nur den roten Teppich für den Headliner ausrollen.
Und deutlicher konnte ein Stimmungswechsel auch kaum ausfallen. Das Bühnenlicht war heller, die Musik lauter und aus beinahe allen Kehlen erklang der Refrain des Openers „Metropole“. Und auch Frontmann Bosse war sichtlich angetan von der Begeisterung, die ihm entgegenschlug: Vor fünf Jahren habe er noch „im Lindenpark vor vielleicht vier zahlenden Gästen gespielt“, das war natürlich kein Vergleich mit dem Meer hochgereckter Arme, auf das er nun hinunterblickte. Die Band schien deutlich gereift zu sein und bediente eine ganze Bandbreite musikalischer Einflüsse, wobei die Kurve nach dem expressiven Opener sicherlich beabsichtigt immer weiter Richtung Tragik führte. Natürlich liegt Bosse das Balladeske immer noch am besten, und genau das wurde ja auch von ihm erwartet. Aber die tiefsinnig-lyrischen Texte, welche ihn von Dutzenden Epigonen der deutschsprachigen Popmusik wohltuend abgrenzen, bewahrten ihn davor, allzu tief ins Kitschige abzurutschen. Man fühlt irgendwie mit ihm, wenn er erzählt, wie er als 14-Jähriger Heather Nova eine Liebeserklärung machte und seitdem versucht, erfolglos Duette für sie zu schreiben. Oder wenn er singt, dass Liebe eben leise sei und kein Rock’n’Roll.
Im letzten Drittel des Konzerts wurde dann doch noch beschleunigt, wobei die Experimente mit Cajón und Akkordeon erfrischend rüberkamen und es nett anzusehen war, wie sich der Frontmann mehr und mehr verausgabte: Der Hit „Frankfurt Oder“ des gebürtigen Braunschweigers sorgte dann endgültig für Freudentaumel und heisere Kehlen beim überwiegend weiblichen Publikum – es war eben doch Mädchen-Rock, wenn man das so sagen will, und die wenigen anwesenden Herren dienten auch eher als Dekoration oder als Beschützer.
Bosses Aufmerksamkeit richtete sich dann auch zusehends in Richtung Bar, die Interaktion mit diesem Bereich des Saales war recht deutlich. Kam da wohl schon etwas Sehnsucht auf? Doch zunächst musste das aufgepeitschte Publikum mit einigen Zugaben beruhigt werden, bevor es sich an die kilometerlange Schlange zur Garderobe anstellen durfte. Bosse selbst zeigten sich gerührt ob der anhaltenden Ovationen, bedankten sich artig und so endete das Konzert noch vor Mitternacht, damit Axel Bosse noch ausgiebig und rechtzeitig mit der Band in seinen Geburtstag reinfeiern konnte. In diesem Sinne: Alles Gute, Bosse, und weiter so! Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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