Kultur: Liebe zur Streitbarkeit
Runde Finissage und kämpferischer neuer Vorstand im Brandenburgischen Kunstverein
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Runde Finissage und kämpferischer neuer Vorstand im Brandenburgischen Kunstverein Von Matthias Hassenpflug Es war keine gewöhnliche Abschlussveranstaltung am Samstag im Luisenforum, dem Sitz des nun 12 Jahre alten Brandenburgischen Kunstvereins. Gleich eine ganze Ära geht zusammen mit der bravourösen Ausstellung „X-me“ zu Ende. Die zehnjährige Ära des Vorstandes um Jeanette Niebelschütz, den mit verdientem Lob zu verabschieden eine Vielzahl von Freunden und Förderern, zuvorderst eine gut gelaunte Kulturministerin Johanna Wanka, zusammen gekommen waren. „Wir lieben Menschen, Alkohol und Zigaretten“, sagte Hanne Landbeck, die neue Vorsitzende des Kunstvereins in ihrer launigen Antrittsrede, die neben der neuen Programmatik auch eine Lobrede auf die verdiente Kulturorganisatorin Niebelschütz war, „und wir lieben Kunst und Kultur.“ Landbeck würdigte die bisher in vielen überregional beachteten Ausstellungen geleistete Arbeit und bescheinigte Niebelschütz die „Liebe zur Streitbarkeit“, eine notwendige Eigenschaft, die auch der neue Vorstand fortsetzen wolle. Es wurde eine Abschiedsparty ohne Traurigkeit. Draußen funktionierte sogar die im Aufbau dem neuen „Neptunbrunnen“ hinter dem Mercure-Hotel ähnelnde Wasser-Lichtprojektion-Stahl- Skulptur von Rainer Fürstenberg und Raiko Epperleins „Luise Xme“ wesentlich besser als noch zur Vernissage. Der beste (und leider auch langsamste) Falafelstand der Stadt versorgte auf Einladung von Jeanette Niebelschütz die Gäste, der ausgeschenkte Wein bezeugte, dass hier ein breit gefächertes Kulturverständnis herrscht. Othmar Kaufmann, dem Geist und Denker neben Jeanette Niebelschütz war zu verdanken, dass am Abend auch eine umfassende digitale Präsentation sämtlicher Ausstellungen des Kunstvereins der letzten Jahre gezeigt werden konnte. Erst in dieser Rückschau lassen sich die Verdienste des Vereins richtig einschätzen. In Kürze soll sie auch über das Internet einsehbar sein. Neben dem Vorsitzenden des Beirats Kultur, Fachhochschul-Professor Hermann Voesgen, ergriffen auch Brigitte Faber-Schmidt und das Gründungsmitglied Martin Schmidt-Roßleben, ehemaliger Leiter des Kulturamts der Stadt, das Lobeswort. In seiner Rede erinnerte er an die drei großen Aufgaben des Vereins, die nicht allein auf die Konzeption und Realisierung von Ausstellungen beschränkt wären. Gleichzeitig wäre noch einiges zu tun, um kulturpolitisch für zeitgenössische Kunst zu werben. Auch bei der Beantwortung der Frage nach dem Standort einer neuen Kunsthalle müsse der Kunstverein meinungsführend wirken. Der neue Vorstand, Hanne Landbeck, Gerrit Gohlke, Gabriele Herschel, Ute Tischler, Beate Rabe und Carsten Hensel haben schon drei sehr konkrete Projekte vor Augen, die durchaus den kunstpolitisch kämpferischen Geist erahnen lassen. Zunächst sollen Künstler sich dem Thema „verpasste Gelegenheiten“ nähern. Das verspricht Spannung, denn damit ist das Scheitern von Großprojekten à la Lausitzring gemeint. Auch die zweite Thematik ist – angesichts des gerade zu erlebenden Gerangels um das verpatzte Potsdam-Stipendium – brisant: ein Interviewprojekt stellt die Bewerbung zur Kulturhauptstadt in den Mittelpunkt und tastet sich wohl zum erstenmal wirklich an den wahren Volkswillen heran. Mit einem Albert Einstein gewidmeten Schwerpunkt begibt sich der Kunstverein 2005 dann wieder in ruhigere Fahrwasser, im Einsteinjahr 2005 wird die Schau einiges an Konkurrenz neben sich haben.
Matthias Hassenpflug
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