Kultur: „Lieben kann ich nur die Krone“
In der „arche“: Lesung aus „Verhüllter Tag“ – autobigrafische Texte von Reinhold Schneider
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Im März 1933 – im Monat des „Tags von Potsdam“ – notierte der Schriftsteller Reinhold Schneider in der Potsdamer Birkenstraße 1 längst verhüllte Tage erahnend: „Das Leben in seiner ganzen Schwere ist nur möglich als Auftrag Gottes“. Gerade zu der Zeit, als Hitler in Deutschland die Macht übernahm, arbeitete der 1903 in Baden-Baden geborene Autor an einem Hohenzollern-Buch, worin er den Anfang vom Ende Preußens in die Zeit Friedrich II. verlegte und damit an das Geschichtsbild der neuen Macht ordentlich rüttelte. Eine genauso bewusste Provokation, wie sein Buch „Das Inselreich. Gesetz und Größe der britischen Macht“ aus dem Jahr 1936, ein noch klarerer Affront gegen den nationalsozialistischen Kurs, denn es stellte die Wege des Erbfeindes über die eigenen.
Am Dienstag erinnerte die „arche“ mit einer Lesung aus den Lebenserinnerungen „Verhüllter Tag“ an den nicht so bekannten Autor, der, wie Theodor Storm oder Jochen Klepper, nur zeitweise in Potsdam gelebt und gearbeitet hatte. Neben der gelungenen Schilderung von Hitlers „Machtübernahme“ und der in Potsdam verfassten Erzählung „Der Tröster“ verdankt man ihm auch authentische Schilderungen seiner Gespräche mit Deutschlands letzter Kaiserin, Hermine, mit Kronprinz Wilhelm und dessen exilierten Vater, Wilhelm II. im niederländischen Doorn. Darin ging es um die Einschätzung von Hitler, um Machtfragen und deren hintergründigen Sinn. Einerseits wollte Schneider kein „nationalistischer“ Dichter sein, andererseits erinnert seine Suche nach der echten, der „metaphysischen“ Krone, stark an Novalis: Ihm schwebte, wie seinem Potsdamer Freund und Kollegen Jochen Klepper auch, eine „Monarchie aus dem Glauben“ vor. Sein zu dieser Zeit erneuertes Engagement für den Katholizismus, den er in St. Peter und Paul auch lebte, kam ihm da sicher entgegen: „Lieben kann ich nur die Krone!“ Die Hohenzollernsche sicher.
Klaus Büstrin („kein Schneider-Experte“) wollte nur lesen. Nachdem er den Autor in einer literarisch geformten Einführung inthronisiert hatte, gab er mit eindringlicher Stimme das Kapitel „Potsdam und Doorn“ . Man möge einfach nur aufnehmen, was da vorgelesen wurde, auch wenn man damit nicht übereinstimme. Der Vorleser als Anreger, warum nicht. Dieser Impetus folgte ganz dem Schriftsteller, wollte jener doch hinter seinem Werk völlig zurücktreten; deshalb gibt es auch keine Autobiographie. Potsdamer dürfte interessieren, dass Schneider die Stadt kulissenhaft und architektonisch eklektisch empfand. Er stritt ganz im „Geiste Weimars“, weshalb er, im Sinne des Kronprinzen, Hitler als „lebendigen Tod“ und die NS-Zeit als eine „Passion der Deutschen“ empfand. Exil kam da für ihn nicht infrage, von außen könne man ja nicht mehr einwirken. Unbehelligt in seiner Immigration, fuhr er nach Doorn, nahm sogar Kontakt zum „deutschen Widerstand“ auf. Er starb am Ostersonntag des Jahres 1958.
Mehr Fragen als Antworten diesmal in der gutbesuchten „arche“: Gedruckte Provokationen im Geiste von Weimar noch 1936, unbehelligte Immigration im Zeichen der Krone, Gottes Auftrag gar als Passion? Vielleicht ist da nachzuforschen, wie das in eine „totale Diktatur“ passte, oder überhaupt möglich war. Aber das sollten die Hörer ja selber tun.
Gerold Paul
Nächste arche-Veranstaltung: 20. Februar, 19.30 Uhr, Am Bassin 2, mit Norbert Blumert
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