Kultur: Lieber an der Havel zelten
Hasenscheiße gaben Konzert in der fabrik
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Am Eingang des Veranstaltungsortes haben sich die Türsteher mit einem Stempel in Möhrenform bewaffnet. Vor der Bühne türmt sich ein karottenbehangen er Christbaum und im überquellenden Saal skandieren die Teilnehmer dieser obskuren Veranstaltung lautstark: „Hasenscheiße, Hasenscheiße!“ Ist das ein Irrenhaus oder vielleicht sogar die Weihnachtsfeier eines fanatischen Tierschutzvereins? Nein, weit gefehlt. Hier wird gerade Potsdamer Musikgeschichte geschrieben. Die mittlerweile auch außerhalb der Stadt bekannten Lokalbarden von „Hasenscheiße“ haben zu ihrem Jahresabschlusskonzert in die Fabrik geladen.
Der Saal ist rappelvoll und freut sich auf die selbsternannten „Süßwasserboys“, die ihre Zelte lieber an der Havel oder Spree aufschlagen, als an der Küste. Das ist Lokalpatriotismus pur! Und wie sich das für echte Barden so gehört, haben Matze und Chrischi von Hasenscheiße erlesene Dichtungen mitgebracht. Die Lebensphilosophie der Beiden erzählt von fliegenden Eierkuchen, Liebe mit der Musterungsärztin oder depressiven Bären. Das alles wird in eine Art Mittelalter- Comedy- Latino-Akustik-Pop verpackt, der schnell mal Reggae aus Religion macht und nicht nur ins Ohr, sondern auch in die Beine geht.
Gekonnt werfen sich die Potsdamer mit Karnickelattitüde ihre wortwitzigen, teilweise zungenbrecherischen Texte zu. Dabei fordern sich die beiden in spannenden Dialogen heraus und erweitern den verbalen Horizont der Anwesenden mit gewagten Improvisationen. Das Publikum quittiert die dazugehörigen Tanz und Theatereinlagen mit Jubel. Mit ebenso viel Anerkennung werden Bassist André und Percussion- Altmeister Sascha Lasch bedacht. Sie scheuchen die Sängerknaben durch die Refrains, dass ihnen die Ohren wackeln, nur um sich kurz darauf wieder dezent zurückzunehmen und die musikalische Basis für die ironischen Botschaften der Gesangsfraktion zu kreieren.
Hasenscheiße begeistern an diesem Abend durch Witz und musikalische Vielseitigkeit. Als sie zur Zugabe ihren bisher größten Hit „Bernd am Grill“ zum Besten geben, ist der Saal längst in Feierlaune. Eltern singen mit ihren Kindern zur Wurstgeschichte von Bernd und seinen Grillproblemen. Auch wenn gerade dieses Lied an der Grenze zum Bierzeltniveau steht – Hasenscheiße haben sich mit ihren intelligent-witzigen Stücken eine Kultstatus erspielt und werden ausgiebig von ihren Fans gefeiert. Zu recht! Philipp Kühl
Philipp Kühl
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