Kultur: Liebesbrio und Orgie in Fortissimo
Die Singakademie mit „Opernabend konzertant“
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Einige Akustik-„Eier“ sind in der Podiumsregion des Nikolaisaals mit kräftigem Rotlicht angestrahlt. Einer Farbe, die laut Farbenpsychologie für erotischen Aufruhr, Liebe und Leidenschaft, Eifersucht und dergleichen seelische Aufwallungen steht. Unter solchen Auspizien will am Samstag der Auftritt der Potsdamer Singakademie stehen, der einen „Opernabend konzertant“ verspricht. Doch zuvor erklingt die Motette „Verleih uns Frieden“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, mit der man erneut der Zerstörung Potsdams vor 70 Jahren gedenken will. Innig und eindringlich, erst bittend, dann fordernd ertönt sie unter Leitung von Thomas Hennig vom Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt solide begleitet.
Dass Mendelssohn in seinem letzten Lebensjahr noch an der unvollendet gebliebenen Oper „Loreley“ gearbeitet hat, wissen sicherlich nur Kenner. Nun auch die Liebhaber des Komponisten, denen Thomas Hennig drei Fragmente nahebringt. Natürlich geht es dabei um Liebe, verletztes Ehrgefühl und leidenschaftliche Rache, um die Wandlung des rheinischen Mädchens Leonore zur sagenumwobenen Loreley.
Im Finale des Erstes Aktes sorgen brodelnde Klangmassen, Sturmgebraus und der Gesang von Wassergeistern für diverse Klangmalereien. Als Titelheldin zieht Christine Wolff alle Register ihres kraftvollen, höhensicheren Soprans. Immer wenn es zum Dialog mit dem Chor kommt, wendet sie sich ihm zu: Ausdruck für ihre intensiven Gestaltungsintentionen. Doch auch in der abendlichen Genreszene des „Ave Maria“-Gesang setzt sie zusammen mit wohltönenden Frauenstimmen ganz auf innigen Vortrag. Die Männerstimmen dürfen dagegen im „Winzer-Chor“ von ihrem freudespendenden Können künden.
Schön, dass der Dirigent die Musiker dann bei der konzertanten Aufführung von Pietro Mascagnis Einakter „Cavalleria rusticana“ zu weit größerer gestalterischer Differenzierung anzuspornen versteht. Schade dagegen, dass er zumeist auf klangliche Härte, auf eine fast stetige Fortissimo-Orgie setzt, bei der die Ansätze zu differenziertem Farbenspiel und Klangsinnlichkeit im Lauten ertrinken. Das Intermezzo sinfonico leidet genauso darunter wie das schwelgerische Liebessehnen der jungen Bäuerin Santuzza. Gesungen wird in Italienisch, die Übersetzung an die Rückwand projiziert.
Mit dem Klavierauszug unterm Arm treten die Solisten auf und ab, klammern sich an die beiden zur Verfügung stehenden Notenpulte. Sie sind allesamt Vertreter des kraftstrotzenden, dramatischen Vortrags. Als Santuzza lebt die Mezzosopranistin Stephanie Weiss mit allen Fasern ihres Herzens die Liebesleidenschaft und den rachedürstenden Kampf um ihren Geliebten Turiddu rigoros aus – atemverschlagend. Dessen Machogebaren findet in Kerem Kurk (Tenor) kernig-direkte, höhenangestrengte Entsprechung. Ausgestattet mit dem robusten Mandat seines Bassbaritons wuchtet Peter Paul den moralrächenden Alfio in die Klangszene. Als dessen Gattin Lola brilliert Christine Wolff erneut mit differenzierter Gestaltungsintensität und großem Auftritt. Anrührend und selbstbewusst singt Gundula Hintz (Alt) die Mamma Lucia. Brav vom Blatt tönt die Singakademie, verstärkt durch äußerst intonationsunsaubere Mitglieder der Potsdamer Vokalistinnen und Gäste. Mit der Aufgabe als Opernchor sind sie jedoch überfordert. Peter Buske
Peter Buske
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