Kultur: Lieblingsfarbe Papagei
Der Künstler Clemens Gröszer zeigt seine Bilder in der Villa Kellermann
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Der Berliner Maler Clemens Gröszer hat das Auge einer Elster. Alles, was funkelt hat es ihm angetan. Und was kann im Auge eines Mannes, Jahrgang 1951, mehr funkeln als immer wieder die Frauen allein? Sie heißen Lolo, Heesi, Monique oder Hieke. Und sie sind meist nackt. Manchmal schmückt sie eine Korsage, manchmal ist ein Kleid bis zum Bauch hochgerutscht. Der Elsterblick Clemens Gröszers liebt die Frauen als funkelnde Sterne und widmet ihnen beinahe sein ganzes Werk. Und er findet diese Sterne wohl immer in der Nacht.
Die Halbwelt der Bars und Bordelle, das Circensische und das Spiel sind das Sujet von Gröszer. Szenemalerei, könnte man zu den großformatigen Pastellen sagen, die da die beiden Etagen des Nobelrestaurants in der Villa Kellerman bis zum 15. Oktober zieren. Nachtvögel, Bordsteinschwalben, Glitzerelstern. Die Damen tragen, wie die entblößte, blonde „Hieke Yellow“ in der Halle der ersten Etage, selbst wenn sie ihre Kleider abgeworfen haben, immer noch das Rouge auf den Wangen. Erst Schminke macht aus einer Frau eine Dame. Und sollte sie splitternackt sein, der Puder bewahrt ihre Würde. Gröszer ist kein Pornograph. Das Fleisch, was nachts jugendlich glänzt, ist am Tage nicht mehr ganz so frisch.
Gröszer geht es nicht nur um Lust. Die Vergänglichkeit des Lebens wird hier enthüllt und durch die Weltlichkeit des Schmucks gleich wieder abgemildert. Der Mensch verfällt, nur alles Irdische kann ihn zusammen halten. Wie die Schminke, oder die anderen wohl gewählten Accessoires. Bei Hieke ist es der Schmuck der Straße, Kinnpiercing, Nabelpiercing nebst durchgefädeltem Bauchkettchen, und ein einziger roter Lederhandschuh, der zwischen den Schenkeln ruht.
Bei anderen ist es glitzernder Lidschatten, den Gröszer sich nicht scheut mit Pigmenten naturgetreu aufzutragen. Ein Schminkmeister ist er, zweifellos. Anderen zieht er Netzstrumpfhosen an, Glacéehandschuhe, wenige dürfen Pelz tragen und ihr Fleisch verborgen halten. Hier ist Gröszer bedacht, alle Details, jedes Härchen, jedes Funkeln, jede Falte genauestens abzubilden. Stoffe sind so präzise gearbeitet, wie es die Renaissance zur Blüte brachte. Bei Gröszer ist beinahe ein Fetisch zu vermuten. Leder, Netz und Samt. Das Stoffliche, so der Elsterblick, funkelt am besten auf der fahlen Haut der Nachtschattenschönheiten.
Hier malt jemand, der die Paradiesvögel liebt und sich an ihren Federn nicht satt sehen kann. Wie auf dem großen Tryptichon „Marmalade Sky“ im großen Saal im Parterre. Zwischen all dem Gaudium, dass die Varietéebesucher zwischen Zirkuspferdchen und Lederpärchen verbreiten, hat Gröszer seine Details als kleine Kommentare eingebaut. Eine plastisch wirkende „Coke light“-Dose, eine Strechlimousine, ein Bündel Euro, Dollars im Strumpfband. Und eine männliche Figur im Hintergrund könnte der Maler selbst sein. Hier ist seine Welt, bunt, ausgelassen, schrill. Lieblingsfarben Papagei, Pink, Türkis - und Lack.
Wenn Clemens Gröszer in seiner Biografie schreibt, er wäre „Wandler zwischen den Welten“ – und das wohl auf seine Verbundenheit mit beiden deutschen Staaten bezogen hat - so glaubt man nach dem Abschreiten dieser bislang umfassendsten Schau des Künstlers, er liefere damit ein Bekenntnis zur frivolen Halbwelt.
Villa Kellermann, Mangerstraße 34 - 36, Di. - So. 12 - 24 Uhr
Matthias Hassenpflug
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