Kultur: Lieder von der Straße
Tom Liwa spielt heute Abend im T-Werk
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Die besten Lieder entstehen auf der Straße. Irgendwo da draußen, wo die Stunden auf dem Asphalt gezählt werden. Wo allein sein nicht mit Einsamkeit zu verwechseln ist. Unterwegs sein, mit einem Auto, dessen einzige Geräusch der brummende Motor ist und nur die Landschaft verändert sich. Die beste Zeit für Innenansichten, die beste Zeit für ein gutes Lied.
Tom Liwa, der heute Abend in Potsdam spielt, genießt es, allein unterwegs zu sein. Nicht nur auf der Straße, sondern auch auf der Bühne. Und er, der die Nähe zum Publikum schätzt, wird am kleinen Saal im T-Werk mit Sicherheit Gefallen finden. Tom Liwa ist ein Geschichtenerzähler, in Potsdam zumal ein bekannter. So oft wie er in den vergangenen Jahren schon im Waschhaus gespielt hat, kann man ihn einen guten Freund des Hauses nennen.
Die Stillen haben Tom Liwa beeinflusst. Neil Young und Joni Mitchell. Musiker, die auf die Bühne kommen und nur durch ihre Lieder Beachtung finden, dafür aber auch Aufmerksamkeit mit Haut und Haaren bekommen. Kein Gehabe, kein Gestelze, keine Posen. In einem Interview hat Tom Liwa gesagt, dass er die Doors wie die Pest hasse. Er hat das nicht mit der Musik begründet. Das Gehabe von Sänger Jim Morrison, dessen „selbstzerstörerische Düster-Einstellung“, hat ihn gegen diese Band aufgebracht.
Wer ein Konzert von Tom Liwa besucht, muss offen sein. Muss sich einlassen auf diesen nachdenklichen Mann mit seiner Gitarre und den Texten, die mancher gern als kopflastig bezeichnen würde. Doch man muss genau hinhören, wenn Liwa spielt und singt, um zu entdecken, dass in dieser Melancholie weniger Schwere, sondern Leichtigkeit steckt. Denn es ist ja nicht so, dass Tom Liwa mit übertriebenem Ernst auf die Bühne tritt. Da singt einer, an dessen Texten und nicht an seinem Gesicht der feinsinnige Spötter zu erkennen ist.
Wenn Liwa so spottet, dann fast immer erst über sich. Und wenn er mit jemandem hart ins Gericht geht, dann auch zuerst einmal mit sich. Seine Lieder sind musikalische Innenansichten von einer Ehrlichkeit, die beim Hören weder peinlich noch unangenehm berühren. Man hört ihnen einfach gern zu, nickt sehr oft, weil Liwa scheinbar komplizierte Dinge des Zwischenmenschlichen, des Alltäglichen, in einfache Sätze fassen kann.
Es kann einem nach so einem Abend mit Tom Liwa passieren, dass man sich ins Auto setzen und über die nächtlichen Straßen fahren will. Nicht um selbst gute Lieder zu suchen. Einfach nur um die von Tom Liwa noch etwas nachwirken zu lassen. Dirk Becker
Tom Liwa spielt heute ab 21 Uhr im T-Werk, Schiffbauergasse. Der Eintritt kostet 12 Euro.
Dirk Becker
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