Kultur: Literatur als unverzichtbares Lebens-Mittel
P.E.N.-Jahrestagung kritisiert Potsdams Bibliothekskürzungen und ehrt verfolgte Schriftstellerkollegen
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P.E.N.-Jahrestagung kritisiert Potsdams Bibliothekskürzungen und ehrt verfolgte Schriftstellerkollegen Auch wenn Jann Jakobs mit einem Minderheiten-Bekenntnis („Ich gehöre zu den sechs Prozent der Deutschen, die täglich in einem Roman lesen“) die P.E.N.-Jahrestagung am Donnerstagabend eröffnete, bedarf es mehr, um die Sympathie der angereisten 165 deutschen Autoren zu gewinnen. „Wir Schriftsteller sind ja bestechlich. Wenn Sie die Mittel-Kürzungen Ihrer Bibliothek noch einmal überdenken, könnten wir uns vorstellen, die Kulturhauptstadtbewerbung Potsdams zu unterstützen“, antwortete Johano Strasser, der gestern wiedergewählte Präsident des P.E.N.-Zentrums Deutschland schmunzelnd. Es sei schwer, junge Menschen an Literatur zu führen, wenn den Bibliotheken das Geld gestrichen werde, um Bücher auch des Schriftstellernachwuchses anzuschaffen. „Literatur ist ein unverzichtbares Lebens-Mittel“, definierte Strasser. Nicht umsonst ist das diesjährige Tagungsthema „Literatur im Jahre zwei nach PISA“. Der P.E.N-Eröffnungsabend, der traditionell den verfolgten und inhaftierten Autoren in aller Welt gewidmet ist, zog nur wenige Nicht-Schriftsteller ins Alte Rathaus. Dennoch zeigten die Schicksale des anwesenden Kubaners Jorge Luis Arzola und des Algeriers Hamid Skif, die beide wegen ihrer Veröffentlichungen in ihrer Heimat bedroht sind und in Deutschland über ein P.E.N-Stipendium Zuflucht gefunden haben, beispielgebend, dass die „Freiheit des Wortes“ kein selbstverständliches Gut ist. Allein in den letzten 14 Tagen wurden in Saudi-Arabien, China, Elfenbeinküste Äthiopien und Iran mehrere Publizisten wegen kritischen Veröffentlichungen eingesperrt. Insgesamt wurden 2003 über 1042 Autoren gefährdet und 26 ermordet. Um die betroffenen Kollegen in aller Welt zu ehren, trugen zum Ende des Abends Autoren Gedichte verfolgter Dichter vor. Ganz bewusst wurde auch ein Gedicht von Walter Mehring, bedeutender satirischer Schriftsteller gegen den Nationalsozialismus, ausgewählt, um nicht zu vergessen, das auch deutsche Publizisten vor nicht all zu langer Zeit auf die Unterstützung des Auslandes angewiesen waren.Michael Kaczmarek
Michael Kaczmarek
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