Kultur: Literatur am Tresen
In der Hebbelstraße eröffnet morgen ein Lesecafé. Es soll Bücher geben, Törtchen und Veranstaltungen
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Die beiden jungen Frauen am Tresen sind ihre Töchter. Harriet Modler hat sie fotografiert, auf Folie gedruckt und an eine Sperrholzwand geklebt. „Eigentlich ist das nur eine Notlösung“, sagt die Potsdamerin. Das Geld reicht nicht für einen richtig gebauten Tresen. Harriet Modler hat für ihr Lesecafé in der Hebbelstraße 53 nur 10 000 Euro zur Verfügung gehabt. Die stammen aus dem Regionalbudget. Mit diesem EU-Geld unterstützt die Stadt Potsdam arbeitslose Einwohner mit guten Geschäftsideen. Harriet Modlers Idee vom Buchladen, in dem man bei Kuchen und Kaffee in Büchern stöbern kann, überzeugte.
Von dem Geld hat Harriet Modler zum Beispiel Farben gekauft. Sie hat die Wände taubenblau und altrosa gestrichen und die Regale weiß. Eines steht noch zum Trocknen im gepflasterten Innenhof des roten Holländerhauses.
Morgen sollen die ersten Gäste im Café sitzen können: 16 Plätze auf verschnörkelten Eisenstühlen stehen bereit. Später sollen es mehr werden. In den Innenhof und auf den Bürgersteig will Harriet Modler Tische stellen. Und neben dem Gastraum will sie ein kleines Hörbuchzimmer einrichten, mit gemütlichen Sofas und Kopfhörern.
Außerdem möchte Harriet Modler regelmäßig Lesungen veranstalten, Kabarett- und Musikabende. Demnächst möchte sie ein Klavier dafür kaufen.
Der Clou sollen aber die wechselnden Ausstellungen sein, die sie organisieren will. Die erste möchte sie im August eröffnen. Wenn alles klappt, wird sie Popart-Farbdrucke eines Privatsammlers zeigen. „Echte Warhols und Liechtensteins“, sagt sie. Für die bildende Kunst hat sie die beiden Etagen über dem Gastraum gemietet. Die Ausstellungen sollen sechs Euro Eintritt kosten. Passend zum Thema der Ausstellungen will sie Bücher anbieten.
Schon jetzt liegen in einigen Regalen gebrauchte Bücher. „Die können ruhig Flecken bekommen“, sagt Harriet Modler. Im Nachbarraum werden dann die Auslagen mit den neuen Büchern stehen. Hauptsächlich Bestseller will sie verkaufen, schließlich muss sich das Geschäft auch lohnen. Das hat für Harriet Modler Priorität, sie ist studierte Ökonomin.
Begonnen hat die gebürtige Berlinerin ihre berufliche Karriere aber als Leistungsruderin. Sie hatte sich für die Junioren-Weltmeisterschaft qualifiziert, doch dann wurde sie krank.
Bücher habe sie aber schon immer geliebt. Und von einem Lesecafé träumte die heute 45-Jährige schon lange. Zunächst aber verdiente sie ihr Geld in der Banken- und Immobilienbranche. Als sie dann arbeitslos wurde, dachte sie wieder öfter an ihren alten Traum. Langsam wurde er zu einem Konzept, mit dem sie sich dann um das Regionalbudget bewarb.
Zur literarischen Ware will sie den Gästen kleine Törtchen anbieten und Öko-Kaffee, der in Rostock geröstet wird. „Es soll alles etwas Besonderes sein. Ich will Kuchen und Kaffeesorten verkaufen, die es sonst in Potsdam nicht gibt.“ Etwas Besonderes ist auch der selbst gebastelte, moderne Tresen. Er steht mitten im barocken Raum mit dem verspielten Stuck an der Decke. Der Tresen steht da fast wie ein Symbol für die Café-Inhaberin. Sie hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, das Potsdam-Klischee zu brechen. „Die Stadt lebt noch heute vom Glamour des 17., 18. Jahrhunderts, ich will da die Moderne reinbringen“, sagt sie. Auf diese Weise will sie Brücken zwischen den Generationen schlagen. „Mein Café soll auch so eine Art Kommunikationszentrale werden.“ Sie ist sich ganz sicher, dass das gelingt. Die ersten Passanten hätten schon gefragt, wann es denn losginge.
Juliane Wedemeyer
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