zum Hauptinhalt

Kultur: Lobgesänge

Bach-Kantaten in der Erlöserkirche

Stand:

Als Besieger des Teufels, mit der Lanze ihn durchbohrend, ihn niederstreckend und in den Abgrund stürzend, sind die Taten des Erzengels Michael vielfältig gemalt, gezeichnet und gestochen worden. Zur Erinnerung (am 26. September) erschuf sich die Kirche das Michaelisfest, wofür auch diverse gottesdienstlich geprägte Musiken entstanden, die den Sieg des Guten über das Böse priesen. Solche Michaelis-Kantaten von Johann Sebastian Bach und einigen seiner Verwandten standen auf dem Musikfestspiele-Programm mit The Monteverdi Choir und English Baroque Soloists unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner in der vollbesetzten Erlöserkirche.

Dem Guru der historischen Aufführungspraxis gelangen dabei Wiedergaben, die schlichtweg staunen machten. Gewiss war man auf eine Lesart gefasst, die keinerlei traditionellen, romantisch geprägten Ausdeutungsversuchen frönen und jede Beschaulichkeit meiden würde. Doch diese Dankes- und Lobpreisgesänge derart bildkräftig, gestaltungsintensiv, mit Sinn und Verstand und mitreißender Lebendigkeit, in geradezu operntheatralischer Nachdrücklichkeit zu erleben, verschlug einem fast die Sprache. Ein Bach, der bei aller interpretatorischen Akribie und intensiv vermittelter Gläubigkeit auch Hörspaß bereitete. Extrem akzentuiert und energiegeladen erklang zu Beginn des zweieinhalbstündigen (!) Abends die nur als Eingangschor überlieferte Kantate „Nun ist das Heil“ BWV 50 von Joh. Seb. Bach. Der hinreißende Schwung, die Strahlkraft und Intonationsperfektion des Monteverdi-Chors überwältigten. Ventillose, mit Grifflöchern versehene Barocktrompeten erzeugten weich getönten Klangglanz.

Chorische Klangoffenbarungen, gepaart mit traumhafter Textverständlichkeit, hielt die Wiedergabe der doppelchörigen Motette „Ich lasse dich nicht“ BWV Anh. 159 bereit. Aus schärfefreien Sopranen, vollmundigen Alten, hellstrahlenden Tenöre und orgelnden Bässen war eine Homogenität des Klangs erschaffen, die in ihrer virtuosen Geschmeidigkeit begeisterte. Jeder Einzelne schien dabei über solistische Qualitäten zu verfügen und sich dennoch der Gemeinschaft einzufügen. Phänomenal. Sechs von ihnen übernahmen entsprechende Parts. Beispielsweise in der erstaufgeführten (!) Kantate „Der Herr ist König“ von Johann Michael Bach, in der zwischen mörderischen Völkertoben und finalem Jubelfeuerwerk die Palette barocker Affekte aufbrach. Die Streicher der very exzellenten English Baroque Soloists erzeugten einen makellosen, gleichsam seidig gewebten Klangteppich.

Energiegeladen, in durchweg zügigen Tempi erzählten die inhaltsgleichen Kantaten „Es erhub sich ein Streit“ sowohl von Johann Sebastian als auch Johann Christian Bach vom Himmelsstreit. Doch „Man singet mit Freuden vom Sieg“, wie es die Michaelis-Kantate BWV 149 bereits in ihrem Titel verkündete. Auch in ihr wurden die Rezitative nahezu modellhaft ausgeführt und vom Continuo (u. a. eine Truhenorgel mit Barockprospekt) stilvoll begleitet, brillierten Instrumentalisten (Oboen, Trompeten, Fagott) bei der Arienbegleitung. Alle Beteiligten wurden wie Popstars gefeiert.

Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })